Die Häufung der Hochwasser der letzten 25 Jahre zeigt: Die Bayerische Staatsregierung hat in den letzten Jahren zu wenig in einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz investiert. Das, obwohl die Projektionen aufgrund der Klimakrise seit langem die Gefährdungslage aufzeigen. Im eigenen Klimareport hat die Staatsregierung dies auf Seite 47 klar beschrieben. Mehr sogenannte 5b Wetterlagen, 7-14 % mehr Regenmenge pro Grad zusätzlicher Erwärmung. Alles nachzulesen auf der Seite des Umweltministeriums
Wenn Markus Söder nun behauptet, das konnte man nicht wissen, so lügt er!
Ihm ist der Klimaschutz einfach egal. „Das Wohlstandseis der Menschen schmilzt schneller als das Eis der Gletscher“, so Markus Söder zum Auftakt des Landtagswahlkampfes auf dem Parteitag der CSU im Mai 2023. Damit hat er den Ton gesetzt für den Wahlkampf und klar gemacht, dass Klimaschutz im Wahlkampf und danach für ihn und seine CSU keine Rolle spielen wird. Klimaschutz ist eine Grundvoraussetzung. Wir brauchen dringend mehr Klimaschutz, mehr Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Das habe ich in meiner Rede zum Haushalt noch einmal klar betont.
Der Haushalt der Staatsregierung, den wir diese Woche und damit nur einen Tag nach der Flutkatastrophe beraten haben, setzt komplett die falschen Prioritäten: 500 Mio. Euro für Straßen, aber nur 200 Mio. für den Hochwasserschutz. Und insgesamt nicht einmal 1 % für den Klimaschutz. Zentrale Projekte des Klimaschutzes werden sogar komplett gestrichen, wie das 10.000 Häuser Programm.
Klimaschutz ist teuer – kein Klimaschutz wir aber noch um ein Vielfaches teurer! Nur nach Katastrophen zu löschen wie es CSU und FW jetzt schon öfter machen mussten, wird keinen Wohlstand in Bayern sichern. Wir müssen umsteigen auf Vorsorge und vorbeugenden Klimaschutz. Und das muss im Haushalt hinterlegt werden mit ausreichend Mittel. Mit weniger als 1 % für den Klimaschutz, gebt die Söder-Regierung den Kampf schon auf, bevor sie überhaupt begonnen haben!
Vorsorge statt Nachsorge
Deshalb fordern wir bayerische Landtagsgrünen seit Jahrzehnten, dass wir in Bayern vorsorgen statt nachsorgen und den Hochwasserschutz neu aufstellen. Neben dem technischen Hochwasserschutz wollen wir endlich stark den ökologischen Hochwasserschutz ausbauen. Wir brauchen einen Hochwasserschutz in der Fläche, sogenannte Hochwasserrückhaltgebiete, damit das Wasser in den Wiesen gehalten wird und nicht zerstörerisch die Keller und Häuser flutet.
Die Situation in Bayern
Prinzipiell können Hochwasser durch zwei Ereignisse entstehen: Ein Dauerregen über mehrere Tage hinweg in einem großen Einzugsgebiet ist meist für Hochwasser an großen Flüssen verantwortlich. Ein kurzzeitiger lokaler Starkregen kann praktisch an jedem Ort in Bayern zu Sturzfluten führen. Die Klimaerhitzung führt dazu, dass Starkregenereignisse und Hochwasser deutlich häufiger und extremer ausfallen. Ursache für die intensiveren Niederschläge sind die durch höhere Temperaturen in der Atmosphäre gespeicherten zusätzlichen Wassermengen.
In den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten wurden auch in Bayern Flüsse und Bäche begradigt, Auen, die Hochwasser mildern, von ihren Flüssen sowie Bächen abgetrennt und somit ihrer Funktion beraubt, Flächen versiegelt und vieles mehr. Das führt zu verschärften Problemen bei Hochwasserereignissen. Es ist also höchste Zeit umzusteuern. Die Aufgabe, die vor uns liegt, erfordert massive Anstrengungen, Geld und Personal. Doch dies kostet uns weniger Geld als die Schäden im Nachhinein zu beseitigen.
Wir fordern einen starken ökologischen Hochwasserschutz. Diesen wollen wir auf Augenhöhe mit dem technischen Hochwasserschutz angehen.
Der ökologische Hochwasserschutz gibt dem Wasser die Möglichkeit, sich in der Fläche auf Wiesen, Auen und mehr auszubreiten. Hochwasser in unseren Flüssen entsteht nicht in den Flüssen selbst, sondern weitläufig in deren Einzugsgebieten. Mit dem ökologischen Hochwasserschutz werden Hochwasserwellen abgebremst. Wasser kann im Boden versickern, anstatt dass es durch kanalisierte Gewässer über versiegelte und andere nicht wasseraufnahmefähige Böden rasch weitergeleitet wird und so große Schäden anrichtet. Sturzfluten der letzten Jahre zeigen, dass lokale Starkregenereignisse an kleinen Flüssen und Bächen sowie in Dörfern und Städten ebenso zu lebensbedrohlichem Hochwasser führen können. Die Gefahren von Starkregenereignisse und Sturzfluten sind beim Hochwasserschutz daher immer mitzudenken.
Technischer Hochwasserschutz ist ein Baustein
Bisher lag der Schwerpunkt des Hochwasserschutzes der Staatsregierung sehr einseitig vor allem auf technische Bauwerke wie Dämme, Deiche und Polder. Etwa 80 % der Gelder für den Hochwasserschutz werden in den technischen Hochwasserschutz investiert.
Dämme und Deiche sind zum Schutz von Menschen und Kommunen nach wie vor punktuell notwendig. Polder können mancherorts eine Maßnahme sein, doch muss hier immer der Einzelfall betrachtet werden. Aufgrund der langen Bauzeiten und den hohen Kosten sind Flutpolder nur im Ausnahmefall eine Lösung. Sie können nur ergänzend zum ökologischen Hochwasserschutz wirken.
Den Hochwasserschutz in Bayern mit Schwammlandschaften neu aufstellen
Das Wasser muss wieder mehr Platz bekommen, d.h. es braucht „Breitwasser statt Hochwasser“. Wir brauchen Wasserrückhalt in der Fläche. Wir wollen das Wasser dort in der Landschaft halten, wo es vom Himmel kommt, bevor es in die Bäche und Flüsse abfließt und dann in unsere Dörfer und Städte überschwemmt.
Dafür brauchen wir Schwammlandschaften, wo der Regen in der Fläche großflächig gespeichert wird, und Versickerung ermöglicht wird:
- Die Speicherfähigkeit des Bodens mit Wasser in der Landschaft wiederherstellen
- Entsiegeln statt versiegeln
- Die Zuflüsse renaturieren
- Ehemalige Flussschleifen, wo möglich, wiederherstellen
- Landschaftliche Strukturen schaffen mit Hecken, Feldraine und mehr schaffen
- Deiche zurückverlegen, die in der Landschaft und an Flüssen liegen, und die keine elementare Notwendigkeit für Siedlungen darstellen (mit Entschädigungsregelung analog zu Thüringen)
- Den dauerhaften Bewuchs von Ackerflächen (als Untersaat) sowie Wiesen sichern
- Geeignete Feldfrüchte und vielfältige Fruchtfolgen einsetzen
- Drainagen und Entwässerungsstrukturen zurückbauen
- Kleine naturnahe Speicherbecken anlegen
- Waldschutz unterstützen
- Moore und Auen wiedervernässen
Schwammlandschaften schützen vor Hochwasser und Überschwemmungen auch in den Kommunen, da die Niederschlagsverteilung bei jedem Ereignis unterschiedlich ist und das Wasser schon weit vorher aufgefangen wird. Gleichzeitig schützen Schwammlandschaften vor Dürren und tragen durch Versickerung zur Erhöhung der Grundwasserpegel bei.
Auen renaturieren
Einen wichtigen Baustein beim ökologischen Hochwasserschutz bilden die Auen. Nur noch 3 Prozent der Auen sind in Bayern wenig eingeschränkt und verfügen somit noch über ihre natürliche Funktion und können überschwemmt werden. Die übrigen Auenflächen wurden von ihren Flüssen und Bächen abgetrennt, werden genutzt oder wurden versiegelt. 97 Prozent unserer Auen haben ihre natürlichen Funktionen eingebüßt und können uns in Notfallsituationen kaum noch vor Hochwassern bewahren oder Hochwasserwellen bremsen.[iii] Wir setzen uns dafür ein, Auen, die noch wiederhergestellt werden können, zu renaturieren. Damit leisten wir auch einen wertvollen Beitrag für die Grundwasserneubildung und die Artenvielfalt.
Förderprogramm Hochwasserschutz und Klimaanpassung für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer
Die kleinen Gewässer werden zu reißenden Fluten. Gleichzeitig sind es oft auch kleine Maßnahmen, die schlimmste Schäden verhindern. Wir wollen Hausbesitzer*innen in potenziellen Hochwassergebieten mit einem Förderprogramm zur Sicherung vor Hochwassergefahren unterstützen. Mit kleinen Maßnahmen sind große Wirkungen zu erzielen (z.B. Rückhalteklappen für Abwasserleitungen, Hochwasserschwellen an Tiefgaragen und Kellerfenstern usw.).
Gemeinden beim Selbstschutz unter die Arme greifen: Hochwasser-Vorsorge finanziell unterstützen
Aktuell sind vor allem Städte und Gemeinden an kleineren Flüssen von verheerendem Hochwasser betroffen. Größere Hochwasserschutzmaßnahmen wie in großen Städten an großen Flüssen wie Donau oder Isar wurden dort zuletzt vernachlässigt. Kleinere Gemeinden müssen für Hochwasserrückhaltegebiete mehr finanziellen Hilfen und Fachexpertise bekommen. Ein wichtiger Punkt ist dabei ein Sturzflutrisikomanagement. Damit können die Gemeinden erkennen, welche Schwerpunkte sie bei den verschiedenen Maßnahmen ergreifen müssen. Ob Flutmulden oder vertiefte Wiesen, die das Wasser vom Ort weglenken – einfache Anlagen können Katastrophen verhindern.
Mehr Personal für die Hochwasserschützer vor Ort: Wasserwirtschaftsämter stärken
Die 17 Wasserwirtschaftsämter in Bayern kümmern sich vor Ort um aktiven Hochwasserschutz. Sie sind Wächter des Wassers und seit Jahren personell auf Kante genäht. Wir fordern jetzt zusätzlich sofort 100 neue Stellen an den WWAs. Mittelfristig muss der Personalstock wieder auf das Niveau von 1996 steigen (Jahr 1996: 2996, Jahr 2020: 2148). Wasserrückhalt, Wassersicherheit und Hochwasserschutz werden in den nächsten Jahren immer wichtiger werden.
Tempo rauf bei Hochwasserschutzmaßnahmen: Verdopplung der Baumaßnahmen
Der Freistaat muss die finanziellen Mittel für den Hochwasserschutz verdoppeln. Die Ansätze für das Hochwasserschutz Aktionsprogramm sind zwar von 2016 bis 2025 um 26% gestiegen (auf 183 Mio. Euro). Die Baupreise im gleichen Zeitraum allerdings eher um 40%. Zum Vergleich: Die Ausgaben für den Straßenneubau liegen jährlich bei 500 Millionen Euro. Anfang des Jahres wurden Hochwasserschutzbauten z. B. in Roding und Regensburg aus finanziellen Gründen gestoppt. Im Landkreis Ansbach, der Stadt Ansbach und dem Landkreis Weissenburg – Gunzenhausen gibt es derzeit nur 3 Projekte zum Hochwasserschutz (Stadt Ansbach, Gunzenhausen, Herrieden). Das ist lächerlich wenig und die Fertigstellung verschiebt sich um Jahre, weil zu wenig Geld da ist (meine AZP vom 6.6.24)
Wenn es um den Schutz von Menschen und deren Eigentum geht, müssen vor allem mit Blick auf künftige Hochwasser-Ereignisse mehr Mittel aufgewendet werden. Eine Umsetzung kann z.B. über einen Nachtragshaushalt erfolgen. Die baureifen Hochwasserschutzmaßnahmen müssen vor dem nächsten Starkwetterereignissen endlich fertig sein.
Quellen und mehr Informationen
[i]Deutscher Wetterdienst: Definition Starkregen
[ii]Schriftliche Anfrage Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag (18/11252): Ökologischer Hochwasserschutz in Bayern
[iii]Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft: Auenprogramm Bayern – Ökologische Funktionsfähigkeit
Anfrage zum Plenum des Abgeordneten Martin Stümpfig (B90/Grüne) vom 03.06.2024
Hochwasserschutz in den Landkreisen Ansbach, Weissenburg-Gunzenhausen und der Stadt Ansbach
„Ich frage die Staatsregierung:
Wie viele Projekte zum Hochwasserschutz in den Landkreisen Ansbach, Weissenburg-Gunzenhausen und der Stadt Ansbach sind derzeit in Bearbeitung (bitte auflisten nach „in Planung“, „in Umsetzung“ bzw. „umgesetzt2), welche Projekte sind über den Haushalt der Staatsregierung fest abgesichert und welche Maßnahmen werden bis Ende 2026 abgeschlossen?“
Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz
Folgende Projekte sind derzeit in Bearbeitung
1) HWS Gunzenhausen (2 Bauabschnitte): BA1 umgesetzt, BA2 in Planung
2) HWS Ansbach: in Umsetzung
3) HWS Stegbruck: in Umsetzung
Die Finanzierungsgenehmigungen für die genannten Vorhaben liegen vor.
Der HWS Ansbach und der HWS Stegbruck können je nach Ausstattung mit Verpflichtungsermächtigungen in den nächsten Jahren fertiggestellt werden.