Die Bezahlkarte sollte im Sommer in ganz Deutschland eingeführt werden. Seit Juni gibt es sie in ganz Bayern, in einigen Pilotkommunen wurde die Karte bereits im Frühjahr eingeführt.
Dass die Einführung Schwierigkeiten bei der Versorgung gerade bei uns im ländlichen Raum bereitet, war klar – nicht alle Geschäfte akzeptieren Zahlung mit der Karte, auch Einkäufe auf Wochenmärkten, Straßen- oder Dorffesten, in kleinen Läden und Sportvereinen sind damit oft nicht möglich. Eine starre Bargeldobergrenze greift umfassend in das Alltagsleben und die persönliche Freiheit der Geflüchteten ein, deren Lebensumstände zu unterschiedlich sind.
Dies sah auch das Sozialgericht Nürnberg so und entschied in einem Beschluss vom 30. Juli 2024 (S 11 AY 15/24 ER) in einem Eilverfahren, dass die Stadt Schwabach einer Geflüchteten ihre monatliche Unterstützung in Höhe von 460 Euro wieder auf ihr normales Konto überweisen muss. Der Vorsitzende Richter erkannte, dass die Ausgabe einer solch einschränkenden Bezahlkarte ohne Ermessensausübung und ohne Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls rechtswidrig ist. U.a. sah er das Existenzminimum der Klägerin durch die Auszahlung über die Bezahlkarte als bedroht an. Die Bezahlkarte für Geflüchtete lässt eben keine Online-Einkäufe und viele günstige Einkaufsmöglichkeiten z.B. auf Basaren, bei Wohltätigkeitsinitiativen wie Kleiderlager etc zu.
Da diese Entscheidung eine Eilentscheidung war, bleibt die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Dies kann sich noch eine Weile hinziehen. Das Sozialgericht Hamburg hat am 18. Juli 2024 ähnlich beschlossen (S 7 AY 410/24 ER): Die pauschale Festsetzung des Bargeldbetrages auf 50 Euro ohne Berücksichtigung der persönlichen und örtlichen Umstände der Betroffenen ist rechtswidrig.
Dass Ministerpräsident Söder dennoch an den 50 EUR Bargeld festhalten will, ist blanker Populismus angesichts der Gefährdung des Existenzminimums der Geflüchteten.
Eine gute praktische Idee ist der „Tauschhandel“ der Offen! Kampagne in München (auch in anderen Städten wie Hamburg gibt es ähnliche Modelle): Geflüchtete kaufen mit ihrer Bezahlkarte in großen Lebensmittel- oder Drogeriemärkten Gutscheine für maximal 50 Euro. Diese Gutscheine können sie dann an einigen Stellen in München und Rosenheim in Bargeld umtauschen. Damit haben sie zusätzlich zu den staatlich ermöglichten 50 Euro noch etwas mehr Bargeld zur Verfügung. Unterstützer*innen der Aktion wiederum kaufen sich die Gutscheine und können diese im jeweiligen Geschäft einlösen.
Ganz aktuell (Pressemitteilung vom 13.11.24) will die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag diese Tauschaktionen unter Strafe stellen.
Von Anfang an war meine und unsere Haltung klar: Bezahlkarten sind nur Schikane und gehören wieder abgeschafft. Sie werden niemand davon abhalten nach Deutschland zu kommen. Ich hoffe sehr, dass diesem Spuk bald ein Ende gesetzt wird.
Links:
Beschluss Sozialgericht Nürnberg: https://www.ra-gerloff.de/newsletter/Anlage%20nl-09-2024_1.pdf hier u.a. auf S. 17: „…wird in der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 3 Abs. 3 AsylbLG ausgeführt: „Den Leistungsbehörden wird hinsichtlich der Art der Leistungserbringung ein Ermessen eingeräumt, um örtlichen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebenslagen Rechnung tragen zu können ... Der Leistungsbehörde wird insoweit hinsichtlich der Art der Leistungserbringung ein Ermessen eingeräumt. Dies ist sinnvoll, um örtlichen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebenslagen Rechnung tragen zu können. ... Die Regelung ermöglicht den Leistungsbehörden auch im Rahmen der Ermessensausübung Umstände zu berücksichtigen, aufgrund derer der Einsatz einer Bezahlkarte im Einzelfall nicht zweckmäßig erscheint. ... Durch die Neufassung des Ab- satzes 3 wird den Ländern die umfassende Möglichkeit zur Leistungsgewährung über eine Bezahlkarte auch für die Leistungsberechtigten eingeräumt, die außerhalb von Auf- nahmeeinrichtungen untergebracht sind. Der bislang in Satz 1 geregelte Vorrang der Geldleistung wird aufgehoben. Den Leistungsbehörden steht dadurch bei der Deckung des notwendigen Bedarfes die Form der Leistungsgewährung frei.“
Offen! Kampagne: https://offen-muenchen.de
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