Kampf um jedes Zehntel Grad Klimaschutz in Bayern - vor und nach dem Beschluss des BVerfG

Die letzten Jahrzehnte waren verloren für den Klimaschutz. In Bayern wurden gerade einmal 12 % der Emissionen seit 1990 reduziert. Ausser vollmundig Ziele zu verkünden bleibt nichts übrig. Wir müssen aber jetzt endlich die Emissionen drücken.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April zum Bundesklimaschutzgesetz hat erstaunlich rasche Reaktionen ausgelöst, nicht nur in Berlin, sondern auch in München. Sowohl im Bund als auch in Bayern sollen die Ziele beim Klimaschutz angehoben werden. Über eine konkrete Verbesserung der Maßnahmen herrscht noch keine Klarheit.

Drei für uns grundlegende Erkenntnisse aus diesem Beschluss:
  1. Durch die Anerkennung des Ziels der Pariser Klimakonvention „deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C“ und dessen Verankerung im Klimaschutzgesetz ergibt sich in Kombination mit dem Artikel GG 20a eine verfassungsrechtliche Prüfung der Klimaschutzpolitik.
  2. Um die Erderwärmung zu begrenzen ist zum einen die Klimaneutralität ein zwingend zu erreichendes Ziel, zum andern steht aber für die Erreichung dieses Ziels nur ein begrenztes Budget an Treibhausgasemissionen zur Verfügung.
  3. Um das Ziel der Generationengerechtigkeit zu wahren, darf es „keine einseitige Verlagerung von Emissionsminderungslasten in die Zukunft“ geben und das CO2-Budget muss „hinreichend schonend“ aufgezehrt werden.

Der bisher vorgelegte Entwurf zur Änderung des Bundesklimaschutzgesetzes kommt mit den angepassten Zielen den Anforderungen des BVerfG entgegen. Trotzdem bleibt vollkommen offen, auf welchem Weg der Gesetzgeber, diese erhöhten Anforderungen erfüllen will.

Das Versagen der Bayerischen Klimapolitik unter Seehofer und Söder (Hintergrundpapier)

Im Hintergrundpapier hab ich es nochmal aufbereitet. Die Bilanz ist wirklich erschreckend. Hier nur die Kernaussagen:

Die Bayerische Staatsregierung rühmt sich seit Jahren mit vergleichsweise niedrigen CO2-Emissionen pro Kopf. Diese niedrigen Emissionen ergeben sich im Wesentlichen aus einem hohen Anteil von Strom aus vor Jahrzehnten errichteten Wasserkraftwerken, aus einem hohen Anteil an Atomstrom und den fehlenden Stein- oder Braunkohlevorräten.

Beim tatsächlichen Vergleich der Bundesländer schneidet Bayern nur mäßig ab. Nach dem offiziellen Zahlenvergleich beim Rückgang der energiebedingten CO2-Emissionen liegt Bayern mit etwa -12 Prozent (2017) lediglich auf Platz 11 unter den Bundesländern.

Zudem verläuft die Entwicklung in Bayern in den letzten Jahren vollkommen falsch. Die energiebedingten CO2-Emissionen sind seit 2014 von 75 Mio. Tonnen auf 81 Millionen Tonnen im Jahr 2019 gestiegen.

Dabei geben die Zahlen des Jahres 2019 ein geschöntes Bild wieder. Bayern ist seit 2018 Stromimportland. 2019 wurde bereits jede achte Kilowattstunde importiert und die damit verbundenen Emissionen werden in Bayern nicht mitgezählt. Und die Importe werden in den kommenden Jahren massiv zunehmen.

Dazu kommt, dass seit Oktober 2020 zwei Gaskraftwerke in Bayern (Irsching 4 und 5) wieder in den Strommarkt eingetreten sind und schon in diesem Jahr mit mehreren Millionen Tonnen CO2 die bayerische Bilanz verschlechtern werden.

Eine wesentliche Ursache der schlechten bayerischen Klimabilanz sind die Emissionen aus dem Verkehrsbereich. Auch hier läuft der Trend in die falsche Richtung und das seit Jahrzehnten! Die CO2-Emissionen aus dem Verkehrsbereich sind seit 1990 um über 5 Millionen Tonnen gestiegen, das ist eine Zunahme von über 18%. Während sich die Emissionen im Schienenverkehr fast halbiert haben, sind sie im Straßenverkehr über dem Niveau von 1990. Der Luftverkehr hat seine Emissionen seither vervierfacht!

Wenn es mal konkret wird: Der Vorhang fällt – die Maske auch

Die CSU-Regierung, allen voran Markus Söder, sucht immerzu die große Bühne für große Versprechen. Was am Ende davon übrigbleibt? Ein kurzer Streifzug durch die konkreten Ankündigungen:

Söder will an 10H festhalten und auf Repowering setzen. Was er verschweigt: Beim Bau neuer Anlagen greift 10H auch auf bereits vorher genutzten Windstandorten. Besonders bitter: Die CSU-Regierung lässt genehmigte und bereits halb fertiggestellte Windräder abreißen, weil sie einen Fehler in der Bayerischen Bauordnung vorsätzlich nicht behebt. Außerdem schlägt Söder 100 Windräder in den Staatsforsten vor. Die in diesem Zusammenhang in Auftrag gegebene Potenzialanalyse ist in einer Schublade im Landwirtschaftsministerium verschwunden.

Auch mit der Ankündigung einer Solarpflicht hat Söder hohe Wellen geschlagen. Eigentlich sollte diese schon seit Jahresbeginn greifen. Regelmäßige Anfragen an die Ministerien zeigen ein anderes Bild. Wollte man im Oktober 2020 noch die restlichen kompetenzrechtlichen Fragestellungen ausräumen, hieß es im Februar, man warte noch auf ein „Meinungsbild der Staatsregierung“.

Die ebenso plötzliche wie überraschende Forderung Söders nach einem Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035 lässt sich vielleicht mit einem Zitat des damaligen CSU-Generalsekretärs aus dem Jahr 2007 einordnen: „Ab dem Jahr 2020 dürfen nur noch Autos zugelassen werden, die über einen umweltfreundlichen Antrieb verfügen.“ (Spiegel, 03.03.07). Übrigens: Vom Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 hat die Bundesregierung gerade einmal 30 Prozent geschafft.

Insgesamt hat die CSU auf Landesebene und als Koalitionspartner in Berlin in den vergangenen Jahren für zahlreiche Vollbremsungen beim Ausbau der Erneuerbaren gesorgt, die sich leicht an den Ausbauzahlen ablesen lassen. 

Ein neues Klimagesetz inklusive Kick-Start für die Energiewende: Ziele sind wichtig – Der Weg noch viel mehr

Die Bayerische Politik muss auf den 1,5°-Pfad gebracht werden. Angesichts der fortschreitenden Erdüberhitzung sind langfristige Ziele wichtig und richtig. Dafür benötigen wir ein neues und wirksames Klimagesetz. Um das vorschnelle Abschmelzen des restlichen CO2-Budgets aber zu verhindern ist es noch wichtiger, sich heute und hier auf den Weg zu machen – auch in Hinblick auf die nachfolgenden Generationen. Die angeführten Maßnahmen kann der Freistaat noch vor der Sommerpause in die Wege leiten.

Must-haves: Anforderungen an ein neues Bayerisches Klimaschutzgesetz

Aufgeschreckt durch das Bundesverfassungsgericht (und einigen Umfrageergebnissen) kündigte die Staatsregierung ein „Bayerisches Klimagesetz 2.0“ an. Ziemlich sicher ist, dass die Emissionsziele dem Bundesgesetz angepasst werden, oder – der bekannten Söderschen Linie folgend – natürlich über die Ziele des Bundes hinausgehen werden.

Doch die Ziele allein machen kein gutes Gesetz, vor allem wenn es an Verbindlichkeit fehlt. Für uns sind die wesentlichen Elemente eines wirksamen Klimagesetzes:

  1. Einführung eines rechtlich verbindlichen CO2-Budgets für Bayern,
  2. verbindliche Verteilung des Budgets auf die einzelnen Sektoren und damit auch die Verantwortung auf die zuständigen Ressorts der Staatsregierung,
  3. darauf aufbauend ein Landesklimaschutzkonzept mit Detailregelungen,
  4. zeitnahes Monitoring zur Wirksamkeit der Maßnahmen und eine rasche Reaktion bei Unterschreitung der Zielvorgaben,
  5. eine deutliche Verpflichtung der Kommunen am Klimaschutz mitzuwirken und damit einhergehend eine entsprechende Unterstützung der Kommunen durch den Freistaat bei kommunalen Klimaschutzkonzepten, Wärme- und Verkehrsplänen,
  6. sowie ein eigenständiger Klimarat, der unabhängig arbeitet und eigenständig Vorschläge machen kann.
  7. Änderung des Landesplanungsgesetzes und der bayr. Bauordnung bzgl. Flächenausweisung und erneuerbare Energien,

Die Grüne Landtagsfraktion hat dazu bereits 2018 und 2019 Gesetzentwürfe eingebracht und im vergangenen Herbst umfangreiche Änderungsanträge zum Gesetzentwurf der Staatsregierung gestellt.

Kampf um jedes Zehntel Grad – Das Sofortprogramm für Bayern

1. Klimaschutz zum Maßstab machen

  • Alle Bereiche des staatlichen Handelns sollen einem Klimacheck unterworfen werden, egal ob Gesetzesinitiativen, Verordnungen, Förderprogramme, die Landesplanung oder konkrete Maßnahmen, wie etwa beim Bau oder der Sanierung von Häusern und Straßen.
  • Der Freistaat kann bei allen Baumaßnahmen und Vergaben mit einem Schattenpreis für CO2 von 180 € pro Tonne kalkulieren. Das entspricht den aktuell zu erwartenden Schäden, die mit der Emission von 1 Tonne CO2 zu erwarten sind. Dieser Preis soll bei Baumaßnahmen und Beschaffungen in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen berücksichtigt werden.
  • Parallel dazu ist auf der Bundesebene die Weiterentwicklung bei der CO2-Bepreisung zu unterstützen. Der CO2-Preis muss in planbaren und verbindlichen Schritten erhöht werden, mit der Zielmarke von 180 € pro Tonne. Dies gilt sowohl für den Emissionshandel (mit einem CO2-Mindestpreis), als auch für die Bereiche Verkehr und Wärme mit entsprechender Anpassung der CO2-Abgabe.

2. Aufbruch Wind

  • Die 10H-Regelung wird umgehend gestrichen. Gleichzeitig werden die Regionalen Planungsverbände personell und finanziell unterstützt, geeignete Flächen zu identifizieren und diese gemeinsam mit den Menschen vor Ort zu entwickeln. Wir wollen 2 Prozent der Landesfläche für die Windenergie mobilisieren.
  • Eine besondere Rolle kommt den Bayerischen Staatsforsten zu: Sie sollen geeignete Standorte aktiv mit örtlichen Bürgerenergiegenossenschaften und den Kommunen projektieren. Unter dem Dach einer Wind-im-Wald-Agentur sollen diese Projekte von den Staatsforsten in die bundesweiten Ausschreibungen gebracht werden.
  • Der Windenergieerlass wird umgehend novelliert. Neue Techniken wie Detektionssysteme und bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung werden berücksichtigt, Tabuzonen der Flugsicherung oder um Erdbebenmessstationen werden nach wissenschaftlichen Standards auf ein Minimum beschränkt.
  • Mit diesen Sofortmaßnahmen erzeugen wir eine Aufbruchsstimmung, wie wir sie in den Jahren nach Fukushima erlebt haben.

3. Der Sonnen-Booster

  • Alle technisch geeigneten Gebäude des Freistaats werden ab sofort mit Solartechnik bestückt. Statt ökonomischer Berechnungen spielen einzig und allein Aspekte des Klimaschutzes eine Rolle. Die verfügbaren Flächen werden entweder an regionale Akteure verpachtet oder selbst genutzt.
  • Eine Solarpflicht für alle Neubauten und bei wesentlichen Sanierungen muss jetzt umgesetzt werden. Neue Parkplätze ab 25 Stellplätzen sollen ebenfalls mit Solartechnik ausgestattet werden. Die obligatorische Solarnutzung ist überfällig und volkswirtschaftlich schon längst sinnvoll.
  • In einer breit angelegten Kampagne werden ökologische Standards für mehr Biodiversität auf Solarfeldern aktiv vermarktet und die Umsetzung unterstützt.

4. Faire Wärme – klimafit und sozial

  • Wir starten die Initiative „Plus-Energie-Schule“ und fangen sofort an, alle Schulgebäude in Bayern fit für die Zukunft zu machen. Gut gedämmte Schulen mit moderner Lüftung und einem Sonnenkraftwerk auf dem Dach werden so zu einem Lernort, in dem Klimaschutz gelebt wird.
  • Bevor ein modernes und innovatives Wärmegesetz für Bayer in Kraft tritt, wollen wir den obligatorischen Sanierungsfahrplan für alle Gebäude einführen, die vor einer Veräußerung oder einem Heizungstausch stehen. Ergänzende Fahrpläne für einkommensschwache Quartiere werden von Freistaat in Zusammenarbeit mit den Kommunen direkt aufgestellt.
  • Damit ab sofort auch zumindest die bestehenden Vorgaben aus der EnEV am Bau und bei der Sanierung eingehalten werden, verstärkt der Freistaat umgehend seine Vollzugspflichten.

5. Sauber unterwegs

  • Ab sofort soll jede Neuanschaffung für den staatlichen Fuhrpark elektrisch angetrieben sein, insofern dies technisch möglich ist. Damit füllt der Freistaat seine Vorbildfunktion aus und kann das Image der Elektromobilität ins rechte Licht rücken.
  • Die Anstrengungen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur werden gemeinsam mit den relevanten wirtschaftlichen Akteuren nach dem Vorbild Baden-Württembergs verstärkt.
  • Das gekaufte Wachstum durch die Flughafen München GmbH wird umgehend beendet. Die Subventionen an verschiedene Airlines (bereits 400 Mio. € seit Eröffnung des Flughafens) werden in klimafreundliche Mobilität umgeschichtet. Die 3. Startbahn wird unverzüglich aus dem Landesentwicklungsprogramm gestrichen.

6. Unser Boden als Speicher

  • Photovoltaik auf Niedermooren wird der Weg geebnet durch die Festlegung, dass PV-Anlagen keine Siedlungsentwicklung darstellen. Außerdem sollen diese Anlagen Anspruch auf EEG-Vergütung erhalten, wenn die Flächen wiedervernässt werden.
  • Der Freistaat stellt die landwirtschaftliche Nutzung seiner eigenen Flächen umgehend auf 100 Prozent biologisch um. In der landwirtschaftlichen Ausbildung wird der Fokus verstärkt auf Ökolandbau gerichtet. Alle staatlichen Kantinen werden auf 100 Prozent Bio und weitestgehend regional umgestellt.

Pressepapier: Kampf um jedes Zehntel Grad – Das Sofortprogramm für Bayern

→ Hintergrundpapier Faktencheck: Das Versagen der Bayerischen Klimapolitik unter Seehofer und Söder

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