Was bleibt, ist die Erkenntnis: Söder hat mit seinen illusorischen Wiederinbetriebnahme-Plänen jahrelang die Menschen getäuscht. Er hat Hoffnungen geschürt, die auf keinerlei fachlicher Grundlage beruhten. Auf mehrfache Nachfrage konnte die Bayerische Staatsregierung weder einen einzigen Experten oder Expertin benennen noch irgendeine seriöse Studie vorlegen, die seine Aussagen zur Wiederaufnahme des Atomkraftbetriebs gestützt hätte. Das war reine Show – verantwortungslos und irreführend.
Doch während sich Bayern dringend um einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien kümmern müsste, reiste Ministerpräsident Markus Söder Ende 2024 lieber nach Prag – nicht etwa, um über grenzüberschreitende Windkraftkooperationen zu sprechen, sondern um sich Atomstrom zu sichern. Mit dem tschechischen Premier unterzeichnete er eine Absichtserklärung für eine Energiepartnerschaft, ganz im Geiste eines rückwärtsgewandten Technologieverständnisses.
Dabei ist längst klar: Atomstrom aus Tschechien kann und wird Bayerns strukturelle Energieprobleme nicht lösen. Selbst wenn dort – etwa am Standort Dukovany – neue Reaktoren gebaut werden, wird der erste Block frühestens 2036 ans Netz gehen. Bis dahin könnten und sollten in Bayern längst doppelt oder dreifach so viele erneuerbare Energien installiert sein wie heute. Es stellt sich also die Frage: Warum setzt ein bayerischer Ministerpräsident auf ein teures, langsames und riskantes Projekt im Ausland, statt die heimische Windkraft endlich entschlossen voranzubringen?
“Heimatliebe” findet man bei unserem Ministerpräsidenten am Ende doch nur bei Bratwürsten.
Ein energiepolitisches Placebo
Dass zusätzliche Atomstrommengen langfristig Strompreise in bestimmten Winterstunden senken könnten, ist ein schwaches Argument. Der Effekt wäre punktuell – die strukturellen Herausforderungen aber bleiben: Netzausbau, Versorgungssicherheit, Systemintegration. Gleichzeitig würde ein Überangebot durch Atomstrom in Zeiten hoher Einspeisung aus Wind und Sonne zu weiteren Preisverzerrungen führen. Schon heute erleben wir negative Strompreise – mit zusätzlichem Atomstrom könnten sie sich häufen. Das bremst Investitionen in die dringend benötigte Ausbauoffensive der Erneuerbaren.
Atomkraft blockiert die Energiewende
Atomstrom ist keine Ergänzung zu Wind und Sonne – er ist der Gegenspieler. Atomkraftwerke sind auf dauerhaften Betrieb ausgelegt, nicht auf flexible Regelung. Für ein modernes, klimaneutrales Energiesystem brauchen wir aber Flexibilität, und die liefern Wind, Photovoltaik, Speichersysteme und gegebenenfalls flexible Gaskraftwerke (später auf Wasserstoffbasis). Nicht aber Atomkraftwerke mit jahrzehntelangen Bauzeiten, gigantischen Kosten und ungeklärter Müllfrage.
Teuer, langsam, gefährlich – und eine Ablenkung vom Wesentlichen
Expertin Prof. Claudia Kemfert bringt es beim BR auf den Punkt: Atomenergie ist die mit Abstand teuerste Form der Stromerzeugung – viermal teurer als erneuerbare Energien, wenn man alle Kosten ehrlich einpreist. Die Gesellschaft trägt das Risiko von Unfällen, die Folgekosten der Endlagerung sind unüberschaubar. In England oder Finnland zeigt sich zudem, wie lange Bauprojekte dauern und wie hoch sie das ursprünglich veranschlagte Budget übersteigen.
All das weiß auch Markus Söder. Und trotzdem stellt er sich lieber vor ein tschechisches Atomkraftwerk als vor eine bayerische Windrad-Baustelle. Dass er mit dieser Symbolpolitik jahrelang Vertrauen verspielt hat, zeigt sich nun deutlich: Seine Atomträume lösen sich in Luft auf – und mit ihnen auch der Schein, es gäbe einfache Lösungen ohne ernsthafte Investitionen und mutige politische Entscheidungen.
Fazit: Wer in Prag um Atomstrom bettelt, statt in Bayern Windräder zu bauen, betreibt keine zukunftsfähige Energiepolitik. Was Bayern jetzt braucht, ist kein Blick in die Vergangenheit, sondern ein klarer Plan für die Energiezukunft – mit Wind, Sonne, Speicher und starken Netzen. Nur so sichern wir Versorgungssicherheit, bezahlbare Energie und echten Klimaschutz. Atomkraft aus Tschechien ist keine Lösung – sie ist Teil des Problems.