Ich habe in den vergangenen Monaten immer wieder nachgehakt schriftlich, parlamentarisch, beharrlich. Ich wollte wissen, auf welche Expertinnen und Experten sich Markus Söder stützt, wenn er behauptet, die Reaktivierung des abgeschalteten Atomkraftwerks Isar II sei „jederzeit möglich“ und „nicht sehr kostspielig“. Diese Aussagen hat er noch zwölf Tage vor der Bundestagswahl öffentlich gemacht mit voller Überzeugung, aber ohne jede Grundlage.
Nach langem Schweigen und Ausweichen von Staatskanzlei und Umweltministerium habe ich schließlich eine Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz gestellt. Jetzt liegt die Antwort vor – und sie spricht eine deutliche Sprache: Es gibt keine benannten Expertinnen oder Experten, die Söders Aussagen stützen. Stattdessen verweist das Ministerium auf ein fast drei Jahre altes TÜV-Gutachten aus dem Jahr 2022. Dieses befasst sich ausschließlich mit der Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung, also mit dem Weiterbetrieb eines noch laufenden Reaktors. Aussagen über die Reaktivierung eines bereits abgeschalteten und teilweise zurückgebauten AKWs fehlen vollständig – und konnten zum Zeitpunkt der Erstellung auch gar nicht gemacht werden.
Für mich ist damit eindeutig belegt: Markus Söder hat vor der Wahl bewusst die Unwahrheit gesagt. Er hat Fakten vorgetäuscht, die nicht existieren, und technische Machbarkeit suggeriert, die durch nichts gedeckt ist. Das ist nicht nur energiepolitisch verantwortungslos – das ist ein gezielter Missbrauch öffentlicher Kommunikation im Wahlkampf.
Solches Verhalten ist brandgefährlich. Wer mit bewussten Lügen Politik macht, untergräbt das Vertrauen in staatliche Institutionen, in politische Verantwortung und am Ende in die Demokratie selbst. Wenn führende Politiker so offen mit Unwahrheiten operieren, verlieren die Menschen den Glauben an faktenbasierte Politik. Genau dieses Misstrauen ist der Nährboden, auf dem Rechtspopulisten gedeihen.
Ich finde: Wer so handelt, ist dem Amt nicht würdig. Der Ministerpräsident schuldet den Menschen in Bayern und in ganz Deutschland eine Klarstellung. Zu lügen, dann zu schweigen und darauf zu hoffen, dass Gras über die Sache wächst, das darf in einer demokratischen Gesellschaft nicht akzeptiert werden. Vertrauen ist kein Spielmaterial im Wahlkampf. Wer es verspielt, gefährdet weit mehr als nur seine eigene Glaubwürdigkeit.
Zu den Anträgen und Dokumenten
Titel: Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen zur AKW-Wiederinbetriebnahme
Inhalt: MdL Martin Stümpfig beantragt beim Bayerischen Umweltministerium Einsicht in alle Dokumente zu Expert:innen, die die Staatsregierung zur möglichen Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken konsultiert hat.
Zentrale Aussage: Gefordert wird Transparenz über Auswahl, Inhalte und Bewertungen der herangezogenen Expert:innen, insbesondere zur technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Machbarkeit einer AKW-Reaktivierung. Hintergrund ist die öffentliche Debatte über die Aussagen der Staatsregierung zur möglichen Rücknahme des Atomausstiegs.
Titel: Schriftliche Anfrage zum Wiederbetrieb des AKW Isar II
Inhalt: Antwort des Bayerischen Umweltministeriums (StMUV) auf eine Anfrage von MdL Martin Stümpfig vom 27.11.2024.
Zentrale Aussage: Die Staatsregierung räumt ein, dass keine schriftlichen Stellungnahmen von Expert:innen zur Wiederinbetriebnahme vorliegen. Technische Rückabwicklung sei prinzipiell denkbar, aber extrem aufwendig und ohne rechtliche Grundlage derzeit nicht umsetzbar.
Titel: Schriftliche Anfrage zur Existenz von Expertenstellungnahmen zur Wiederinbetriebnahme
Inhalt: Weitere Nachfrage vom 17.02.2025 zur Frage, welche Expert:innen Söder beraten haben sollen.
Zentrale Aussage: Es wurden keine Expert:innen befragt oder benannt, weder schriftlich noch mündlich, weder vom TÜV noch von offiziellen Gremien. Auch der Bayerische Klimarat oder die Kommission für Reaktorsicherheit wurden nicht einbezogen.
Titel: Gutachtliche Stellungnahme zu technischen Maßnahmen für einen Weiterbetrieb von Isar II
Erstellt von: TÜV SÜD im Auftrag des StMUV (April 2022)
Zentrale Aussage: Das Gutachten bezieht sich ausschließlich auf die Option, das AKW über das damalige Abschaltdatum hinaus weiter zu betreiben. Es enthält keine Aussagen zur Wiederinbetriebnahme eines bereits stillgelegten Reaktors und kann deshalb Söders Aussagen nicht stützen
Titel: Rechtsgutachten zur Laufzeitverlängerung von KKW
Autor: Dr. Christian Raetzke, Rechtsanwalt, im Auftrag des StMUV
Zentrale Aussage: Bewertet rechtliche Machbarkeit einer Laufzeitverlängerung von KKI 2 und KRB C. Das Gutachten behandelt nicht die Reaktivierung abgeschalteter Anlagen, sondern nur mögliche gesetzliche Änderungen zur Verlängerung des Betriebs bestehender AKW. Keine Relevanz für Söders Reaktivierungsbehauptungen




