Delegationsreise nach Holland und Belgien

Der Wirtschaftsausschuss hat kürzlich eine Delegationsreise nach Holland und Belgien unternommen. Die Reise verdeutlichte, wie wichtig der Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoff- und CO₂-Infrastruktur für die Energiewende ist. Im Fokus standen innovative Ansätze für den Transport und die Speicherung von grünem Wasserstoff sowie der Ausbau von Pipelines, um unvermeidbare Emissionen zu reduzieren. Schritt für Schritt wird so der Weg zur Klimaneutralität geebnet.

Bei unserer Reise konnten wir zwei Bereiche aus dem Fahrplan Klimaneutralität betrachten: Import Wasserstoff bzw. Wasserstoff-Derivate und Weiterleitung CO2.

Import von Wasserstoff bzw. Wasserstoff-Derivaten über See 

Für weite Transportstrecken bietet sich Transport über Schiffe an. Dabei sind v.a. zwei Verfahren im Gespräch. Einmal über den Träger Ammoniak. Ammoniak wird heute schon im großen Stil für die Düngerherstellung über das Haber-Bosch erzeugt (Wasserstoff + Stickstoff ). Der Wasserstoff dafür ist grau (aus Erdgas) und entsprechend wird auch das Ammoniak als grau bezeichnet. Zukünftig soll es sich dann um grünen Wasserstoff und grünes Ammoniak handeln. Großer Vorteil: die entsprechende Anlagen und Schiffe sind vorhanden. Der Transport logistisch bekannt. Nachteil: Ammoniak und das sog. Cracken (Rückverwandlung in H2) ist in Häfen wie Amsterdam mit viel Wohnbebauung nicht möglich. Reine Industrie-Häfen wie Rotterdam sind geeignet. Die zweite Möglichkeit ist der Transport von Wasserstoff in verflüssigtem Zustand (LH2). Dafür muss er auf -253°C gekühlt werden. Ammoniak hat mit 121 kg H2/m3 1,7-mal mehr Wasserstoff pro Kubikmeter als flüssiger Wassersto. Dafür ist die Rückverwandlung bei LH2 in Wasserstoff weitaus ungefährlicher. Energetisch sind beide Verfahren hoch energieintensiv. Als neue Option ist auch LOHC zu nennen. Das Unternehmen Hydrogenious aus Erlangen hat dies entwickelt. Vorteile sind absolut gefahrloses Handling der Trägersubstanz. Der Volumenanteil Trägersubstanz zu Wasserstoff beträgt jedoch 50 Anteile Träger auf einen Anteil Wasserstoff. Bei Schffitransporten ist das Volumen aber weniger kritisch. Am Hafen Amsterdam konnten wir ein Unternehmen besuchen, welches konkrete Pläne zum Aufbau eines Umschlagfabrik plant. Evos – Let's Evolve Together

Wasserstoff leitungen – H2-Pipelines

Einmal mit dem Schiff angelandet, gilt es den Wasserstoff wieder aus der Trägersubstanz zu holen. Und dann den Wasserstoff über Pipelines ins Hinterland zu leiten. Die Infrastruktur für die zur Weiterleitung ins Hinterland wird an vielen Stellen gebaut. In Belgien baut die Fa. Fluxys derzeit 40 km H2 Leitung. Und auch am Hafen Rotterdam liegen bereits die Rohre im Boden. Das Wasserstoffnetz von Belgien und Niederlande wird hauptsächlich aus der Umnutzung von bestehenden Erdgasleitungen bestehen. Dies ist gut möglich. Die staatliche Firma Gasunie der Niederlande plant die Fertigstellung des Netzes im Jahr 2030. Bis zum Jahr 2050 werden immer mehr Erdgasleitungen dann Stück für Stück umgerüstet. Das Kernnetz in Deutschland ist nun auch durch Robert Habeck auf den Weg gebracht. 9040 km Wasserstoff- Leitungen sind bis 2032 geplant. 60 % davon sind umgerüstete Erdgasleitungen. Die Koste betragen 19 Milliarden Euro (im Gegensatz zu den Kosten der Erdkabel Strom- Projekten nahezu ein Schnäppchen). Die bestehenden Erdgas-Fernleitungen sind für die Umrüstung auf Wasserstoff Transport relativ gut geeignet. Der Stahl ist ausreichend dicht. Allerdings sollte es in Zukunft wenig Druckschwankungen in der Leitung geben, denn jede Druckschwankung erhöht Rissbildung. Dies ist bei Wasserstoff und der kleinen Molekülstruktur sehr kritisch. Um weniger Druckschwankungen zu haben, sind mehr Speicher nötig.
 

Wasserstoffspeicher sind notwendig

Die ersten Versuche in Deutschland laufen, inwieweit unsere Erdgasspeicher in Deutschland auch für die Einspeicherung von Wasserstoff geeignet sind. In Mühlhausen testet Ferngas-Franken die Tauglichkeit des Erdgas-Speichers. Ergebnisse inwieweit Wassersto tatsächlich im Speicher bleibt und in welcher Bescha enheit er wieder zu Tage tritt (teilweise Umwandlung im Speicher in CH4) sind noch nicht vorhanden. Die Niederlande sind hier schon ein grosses Stück weiter. Für die Speicherung in Salzkavernen konnten 2023 schon Verträge geschlossen werden. 

Und die Verteilnetze?

In Gesprächen mit den Infrastrukturbetreibern in Belgien und Holland gab es viele kritische Stimmen zur Umstellung des Erdgasverteilnetzes auf H2. Eine genaue Überwachung und Testung der Leitungen wie beim Ferngasnetzes ist hier kaum möglich, da hunderte und tausende Abzweigungen bestehen. Das Alter der Leitungen ist auch sehr heterogen. Bei neuen, einheitlichen Abschnitten des Erdgas-Verteilnetzes ist ein „Wassersto-ready“ aber gut erreichbar – aber es muss natürlich komplett abgetrennt werden vom restlichen Erdgasnetz. Von einer Beimischung von Wassersto ins Erdgasnetz ist man weitgehend abgekommen. Es hat mehr Nachteile als Vorteile (Durchmischung ist Herausforderung, ungleiche Anteile je nach Entnahmestelle, Endgeräte teilweise empfindlich).

Transport über Rhein

Der Transport von grünem Ammoniak, LH2 oder LOHC geht natürlich auch über den Rhein bis nach Bayern. Dies war auf der Reise weniger im Mittelpunkt der Gespräche. Mittelfristig ist diese Lösung aber weitaus schneller umsetzbar, da die Schiffe bereits vorhanden sind.

Wasserstoff und Offshore Windkraft

Die Stromkabelpreise gehen derzeit durch die Decke. Die Zahl der Stunden mit Negativen Strompreisen steigen. Für Oshore Windkraft-Plattformen ist nun eine interessante Möglichkeit einen Teil des Stroms bereits auf hoher See in Wassersto umzuwandeln und mittels Pipeline an Land zu bringen. Vorteil: Durch Ausrichtung der Stromkabelanschlusses auf Teil der Leistung lassen sich Kosten sparen, je nach Strompreis kann Strom oder Wassersto produziert werden, die Anzahl der Stunden mit negativen Strompreise und die Nicht-Vergütung des Stroms nehmen zu und machen eine Investition in Elektrolyseure und H2 Pipelines rentabel.

Henne -Ei und H2Global des BMWK

Wer wird zuverlässig in einigen Jahren Wasserstoff abnehmen und wer kann Wasserstoff zuverlässig liefern – und zu welchem Preis. Derzeit will keiner so richtig springen. Die Wassersto Euphorie der letzten Jahre ist deutlich gewichen. Die Erdgas-Preise sind bei 3-5 Cent/kwh. Da kostet Wasserstoff auch mittelfristig ein Vielfaches. Wie können wir den gordischen Knoten durchschlagen? Ein sehr wichtiges Projekt um dieses Henne-Ei Dilemma zu überwinden, ist das H2Global Projekt des Bundeswirtschaftsministeriums. Das BMWK hatte im Dezember 2021 bis zu 900 Millionen Euro für eine erste Ausschreibung im Förderinstrument „H2Global“ per Zuwendungsbescheid bewilligt. Die Funktionsweise des Programms ist es, grüne Wasserstoff produkte günstig auf dem Weltmarkt einzukaufen und in DEU, bzw. der EU meistbietend zu verkaufen. Die Differenzkosten zwischen dem (erwarteten höheren) Ankaufspreis und dem (niedrigeren) Verkaufspreis wird durch die Fördermittel ausgeglichen (Contracts for Difference Approach, CfD). Der Zuschlag im ersten Ausschreibungsfenster für Ammoniak ging an das Unternehmen Fertiglobe mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Produktion des grünen Ammoniaks, welches im Rahmen von H2Global importiert wird, erfolgt in Ägypten. Dazu werden in Ägypten 273 Megawatt erneuerbarer Energieanlagen errichtet. Dies führt zu einer jährlichen Einsparung von 93 Tsd. Tonnen CO₂-Emissionen. Der Produktionspreis liegt bei 811 EUR je Tonne Ammoniak. Daraus kann ein Preis von weniger als 4,50 EUR pro kggrünen Wasserstoffs abgeleitet werden. Das sind erstmals Preise mit verbindlichen Abnahmeverträgen. Die transparente Kommunikation verbindlicher Preise für grünen Wasserstoff ist ein wichtiges Element im Wasserstomarkt-Hochlauf und schafft Preissicherheit. Dies erleichtert Investitionsentscheidungen zum Aufbau der Produktion von grünem Wassersto und Investitionsentscheidungen auf Abnehmerseite zur Nutzung von grünem Wasserstoff oder seinen Derivaten. Es darf aber nicht bei einem Projekt bleiben. Die neue Bundesregierung muss hier am Ball bleiben!

Wasserstoff-Erzeugung

Schwerpunkt der Reise war die notwendige Infrastruktur für den Wasserstoff-Transport. Aber auch für die Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse Anlagen haben wir interessante Betriebe besucht. So hat mir die Firma Battolyser sehr gefallen. Die Firma nutzt das Verfahren von Edison aus dem Jahr 1900. Ein Elektrolyseur auf Basis von Nickel und Eisen wird verwendet. Die Konstruktion ist gleichzeitig eine Batterie und ein Elektrolyseur – daher die Wortschöpfung Battolyser. Er produziert im voll geladenen Zustand Wasserstoff mit einem hohen Wirkungsgrad von 80 %. Er kann aber auch als Batterie verwendet werden und Strom abgeben, wenn z.B. die Nachfrage im Netz groß ist und der Preis entsprechend hoch. Bei der Besichtigung der Werkhallen haben wir leider an diesem Tag keine Produktion gesehen – lediglich die Hallen, Materialien und einige Mitarbeiter. Trotzdem ist das Konzept genial und sicherlich wird man von der Firma in den nächsten Jahren noch einiges hören.

CO2 Pipelines

Zementwerke werden keine Zukunft mehr haben, wenn sie nicht an eine CO2 Pipeline Infrastruktur angeschlossen werden. Aber auch in anderen Bereichen wie der Landwirtschaft wird es unvermeidbare Emissionen geben, die es auszugleichen gilt. Das Ökoinstitut spricht deshalb in seiner Studie von 70 Millionen Tonnen, die jährlich in Sedimenten und unterirdischen Lagern abgelagert werden müssen um Klimaneutralität zu erreichen (Vortrag Matthes Energiekongress 7.11.24). Konkrete Überlegungen zum Bau der CO2 Pipelines gibt es seit längerem sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden. Das BMWK hat im Sommer 2024 ein Eckpunktpapier für eine Carbon Management-Strategie erlassen. Das entsprechende Gesetz wurde aber bisher nicht mehr beschlossen. Darin wird ausgeschlossen, dass sich Kohlekraftwerke mittels CO2 Abscheidung grün rechnen können. Sie haben zu der Infrastruktur keinen Zugang. Auch werden on-shore Projekte ausgeschlossen und die staatliche Förderung für CCS/CCU wird auf schwer oder nicht vermeidbare Emissionen fokussiert. Damit wird auch klargestellt, dass für CCS/CCU-Anwendungen an mit fossilen Energieträgern betriebenen Kraftwerken keine Förderung erfolgt. Die Kriterien für Sicherheit müssen streng sein, die Anwendung musss auf schwer oder nicht vermeidbare Emissionen beschränkt sein und der Preis muss hoch sein. Aber ganz ohne CCS werden wir leider die Klimaneutralität nicht erreichen. Auch angesichts der Situation, dass unsere deutschen Wälder nun bereits zu CO2 Quellen wurden, da die Klimakrise unerbittlich zuschlägt und Wälder im grösseren Stil zusammenbrechen lässt. Wir haben nicht mehr viel Zeit und müssen leider auch diese Möglichkeit zur Dekarbonisierung nutzen.

Fazit

Es war eine spannende Reise. An ersten Stellen wird auch im Molekül-Bereich, also bei Erdgas und Erdöl, begonnen das fossile System umzubauen. Wie gigantisch groß dieses Vorhaben ist, konnte ich in den Häfen mit der fossilen Infrastruktur, den riesigen Öltankern und Containerschi en hautnah erleben. Unser Energiehunger, den es täglich zu stillen gilt, ist unglaublich. Die Herausforderung dies auf erneuerbare Energien umzustellen und Erdgas und Öl zu verbannen, ist einfach gewaltig. Die Anfänge werden gemacht. Aber der Weg ist noch weit und günstige Gaspreise, wie sie derzeit wieder herrschen, wirken wie ein Schockfroster für die Erneuerbaren Projekte. Die Elektrifizierung wird die grösste Säule der neuen, erneuerbaren Welt sein. Aber der Anteil der chemischen Energieträger wird ebenfalls sehr groß sein. Die Umstellung ist gewaltig - muss aber schnell gelingen. Und in allen Bereichen. Eine Abscheidung von CO2 gehört hier ebenfalls dazu, da Restemissionen vorhanden bleiben und wir auch ab einem bestimmten Punkt klimapositiv werden müssen – also Stück für Stück zurück müssen zu niedrigen atmosphärischen CO2-Gehalten.Die CO2 Infrastruktur dient nicht der Verlängerung des Fossilen Zeitalters – sondern dient dazu das Überschießen über das CO2-Budget zum 1,5 °Grad Ziel so schnell wie möglich wieder zurückzudrehen.

Bildquelle: Eigene Aufnahme

Wassersto ist ein zentraler Baustein für die Dekarbonisierung – aber es ist noch ein weiter Weg

Auf der Delegationsreise nach Belgien und Niederlande lag der Schwerpunkt auf der Besichtigung von Hafenanlagen und die entsprechende Infrastruktur. Die drei Häfen Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam sorgen für steten Nachschub der fossilen Energien um den Energiehunger Deutschlands zu decken. Allein über den Hafen Rotterdam laufen z.B. 13 % der Energieimporte der ganzen EU. Es ist weltweit der größte „Energie-Hafen“. Die Umstellung muss also hier beginnen. Deshalb sind die Häfen so zentral. Geht man den Berechnungen des Ökoinstituts für das klimaneutrale Deutschland aus, so brauchen wir Jahr für Jahr 1000TWh grünen Strom, 400 TWH als importierte Wassersto (-Derivate), 300 TWh Biomasse, 100 TWh einheimische H2 Erzeugung und 70 Mio. Tonnen CO2 Abspeicherung als CCS.


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