Am Ende einer turbulenten Woche fand der Bayerische Energiekongress 2024 statt zu dem die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Schulze, und der Sprecher für Energie- und Klimapolitik Martin Stümpfig eingeladen hatten. Erst die Wahl Donald Trumps in den USA, dann das Aus der Ampel-Regierung in Berlin durch die FDP. In diesen Zeiten ist es umso wichtiger, dass es Austausch und Vernetzung zwischen Menschen gibt, die aktiv an Lösungen zur Bekämpfung der Klimakrise und der Energieabhängigkeiten arbeiten. Die Bundesregierung hatte in den letzten beiden Jahren dabei einiges erreicht. Aber wir stehen vor den nächsten Schritten bei der Energiewende, die, die wir jetzt gemeinsam angehen müssen.
Keynote Felix Matthes
Auf welchem Stand wir im Bereich der verschiedenen Technologien von Erneuerbaren bis Speichertechnologie sind, ordnete Dr. Felix Matthes, Forschungsdirektor vom Ökoinstitut, in seiner Keynote ein. Auch auf die Dringlichkeit den Klimawandel zu begrenzen, machte der Wissenschaftler eindrucksvoll aufmerksam. Durchaus auch mit der kritischen Bemerkung, dass er diese Folie wieder in seinen Vortrag reingenommen habe, da das Thema zunehmend verdrängt werde trotz klarer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Ab einer Erdüberhitzung von 2 Grad steigt das Risiko von Wasserknappheit, Überschwemmung von Küstenwohnorten, oder einer Hungersnot für hunderte von Millionen Menschen signifikant an. Klimaschutz sei daher in allen Bereichen zwingend notwendig.
Auf das oft gehörte Argument der CSU und CDU, Deutschland habe ja nur 2 % Anteil an den gesamten Treibhausgasemissionen weltweit und deshalb kaum Einfluss auf das Weltklima, entgegnete Matthes: „Wir haben auf der Welt 173 Länder, die weniger als 2 % Anteil haben an den globale Klimaemissionen. Sagen sie denen all, sie müssen nichts tun?
Die russische Invasion in die Ukraine hatte weitreichende Folgen für Versorgungssicherheit und Energiepreise (Preise für Brennstoffe, Strom sowie CO2massiv angestiegen). Die wachsenden Erneuerbaren-Anteile wirken zwar zunehmend preissenkend. Aber die Unsicherheiten an den Märkten waren die letzten Jahre zu hoch und somit die Planbarkeit für Unternehmen sehr schwierig.
Wir müssen aber viel stärker auf Resilienz unserer Wirtschaft achten und haben hier nicht endlos Zeit, so Matthes. Momentan können wir noch eine europäische Solarindustrie aufbauen. In 7 Jahren nicht mehr, da uns dann die Unternehmen mit den Schlüsseltechnologien abhandengekommen sind.
Dr. Matthes hat dem Publikum Mut gemacht hinsichtlich der teils sehr aufgeladenen und rückwärtsgewandten Debatten zu einzelnen Technologien, wie dem Verbrenner-Aus. Hierseinen die Weichen erstmal auf EU Ebene richtig gestellt: Nach der aktuellen Revision des europ. Zertifikatehandels EU-ETS (rechtlich verbindlich und sanktionsbewehrt) muss Klimaneutralität in den ETS-Sektoren deutlich früher erzielt werden. Im Jahr 2038 wird die letztmalige Ausgabe von CO2-Zertifikaten im EU ETS an Energiewirtschaft und energie-intensive Industrien erfolgen. Und auch im ETS 2 für die Bereiche Verkehr und Gebäude wird die letztmalige Ausgabe von CO2-Zertifikaten in 2042 erfolgen. Solange nicht an diesen grundsätzlichen Festlegungen gerüttelt wird, ist der Klimaschutz Pfad relativ klar vorgegeben.
Die Zielbild der Klimaneutralität in Deutschland hat er auf die Formel 10-43-17 zusammengefasst. Bei Erreichen der Klimaneutralität benötigen wir in Deutschland jedes Jahr folgende Bausteine: 1,000 TWh erneuerbarer Strom (v.a. Wind und Solar), 400 TWh importierter Wasserstoff-und -Derivate, 300 TWh Biomasse (v.a. in Kaskadennutzung), 100 TWh einheimische H2-und -Derivateerzeugung und schließlich 70 Mio. t CO2 Ablagerung in geologischen Formationen. Die 70 Mio. t CO2 müssen wir nach den aktuellen Schätzungen des Ökoinstituts zum Zeitpunkt der Klimaneutralität, also mit Blick auf 2045/2050 unter die Erde bzw. präzisier: unter die Nordsee bringen. Wenn wir danach in die klima-positive Phase kommen wollen (und das ist ja durchaus das EU-Ziel für nach 2050, auch im Kontext 1,5°Overshoot) entsprechend mehr.
Ein Erreichen des Kohleausstiegs sieht Matthes bereits im Jahr 2030, da die erneuerbaren Energien erfolgreich die Kohle aus dem Markt drängen. Allerdings gibt es noch einen Kohleausstieg 2.0, der zu meistern ist. Neben dem Strombereich wird auch in der Stahlindustrie in großem Maßstab Kohle verbrannt. Hier braucht es Wasserstoff als Alternative.
In der nun erreichten, neuen Phase der Energiewende kommen wir in den konsumentennahen Bereich. Der Ölausstieg bezieht sich vorrangig auf den Mobilitätsbereich, also den Verbrennermotor auf Grundlage fossiler Brennstoffe. Und der Erdgasausstieg setzt v.a. Herausforderungen bei Heizungen und der Industrie.
Ein zentrales Thema ist nach Einschätzung von Dr. Matthes die Finanzierung der Transformation. Wir kommen aus einem System mit hohen Betriebskosten und gehen in ein neues System mit niedrigen Betriebskosten, aber hohen Investitionskosten. Dieser „Investitonshubbel“ ist ein Problem. Hohe Anfangsinvestitionen sind zu leisten mit im Zeitverlauf (v.a. bei Strom, Fernwärme) oder auch im Zielniveau (Wasserstoff) unsicheren Durchsatzgrößen.
Der Aufbau der Infrastruktur für die einzelnen Technologien ist sehr teuer. Eine Nicht-Festlegung auf eine Technologie ab einem gewissen Erkenntnisgrad (z.B. im Bereich Mobilität mit Strom oder Wasserstoff) und das Festhalten an Technologieoffenheit verursacht beim Aufbau der Infrastruktur sehr hohe zusätzliche Kosten.
Dr. Matthes ist auch Mitglied im nationalen Wasserstoffrat. Die Kosten liegen je nach Stromkosten und jährlichen Betriebsstunden des Elektrolyseurs heute bei rund 7,50 €/kg H2. Längerfristig sind jedoch Kosten von 2,5 bis 4 €/kg H2 möglich. Importierter grüner Wasserstoff könnte langfristig bei 1,50 bis 3,5 liegen.
Um Wasserstoff gegenüber Erdgas konkurrenzfähig zu machen und einen Brennstoffwechsel leicht zu ermöglichen, wären sehr hohe CO2 Preise nötig. Bei einem Gaspreis von 50 Euro/MWH wäre bei erreichten Wasserstoffkosten von 4 Euro/Kg immer noch ein CO2 Preis von über 300 Euro pro Tonne CO2 nötig, um Kostengleichheit herzustellen. Erst bei einem Gaspreis von 70 Euro /Mwh (im Jahr 2024 lag der Großhandel Gaspreis bei rund 35 Euro/MWH) und einem Wasserstoffpreis von 2,50 Euro wäre kein zusätzlicher CO2 Aufschlag nötig, um gleiche Kosten von Erdgas und Wasserstoff zu haben.
Zur Diskussion der Strompreiszonen hat Dr. Matthes eine klare Prognose: es wird eine Trennung geben. Der billige und im großen Stil zur Verfügung stehende Windstrom im Norden und der hohe Verbrauch im Süden Deutschlands sind zu unterschiedliche Voraussetzungen für eine gemeinsame Zone.
Sonne und Wind werden den Strommarkt der Zukunft beherrschen. Und demnach wird es auch große Unterschiede bei den Strompreisen geben, je nachdem ob der Strom gerade sehr günstig über Sonne und Wind erzeugt wird oder kostenintensiv über Biogas, Speicher, Wasserstoffkraftwerke u.a. Eine Ausrichtung des Verbrauchs nach dem Angebot wird zentral werden. Aber es gibt auch eine räumliche Komponente. Bei der derzeitigen Lage mit einer Strompreiszone wird z.B. auch im Süden der Mehrverbrauch angereizt, wenn an der Börse der Strom durch viel Windstrom günstig ist. Und dies ganz unabhängig der Frage, ob der Strom überhaupt transportiert werden kann. Der Stromkäufer hat aber in einer gemeinsamen Strompreiszone in jedem Fall das Recht auf Lieferung. Teure Redispatch Kraftwerke müssen einspringen, obwohl eigentlich ausreichend Strom vorhanden wäre – aber eben räumlich weit entfernt. Die Redispatch-Kosten steigen von Jahr zu Jahr. Eine Teilung in zwei oder drei Strompreiszonen würde diese Kosten stark reduzieren. Zudem würden nur Preisunterschiede auftreten, wenn tatsächlich Netzengpässe auftreten – also nur in 1000 Stunden im Jahr. Nach Matthes würden die positiven Effekte die negativen deutlich überwiegen.
Am Ende seines Vortrages ging Dr. Matthes auf die soziale Frage ein. In Deutschland gab es in den letzten Jahrzehnten keine Energiearmut mehr. Heute tritt sie teilweise wieder auf. Darauf braucht es Antworten und Lösungen, da viele nicht die Möglichkeit haben zu sparen. Eine Politik der Gießkanne muss ein Ende haben, da der Staat diese finanziellen Mittel nicht dauerhaft aufbringen kann. Gezielte Unterstützung ist gefragt.
Abschließend stellt Matthes anhand des sog. Gardner-Hype Cycles die Entwicklungen im Energie- und Klimabereich vor. Einzelne Themen und Technologien müssen meist ein Auf- und Ab durchschreiten. Die Erneuerbaren haben diesen Kurs schon durchschritten und ihr Stern bleibt oben. Bei anderen Technologien steht das noch bevor mit offenem Ausgang. Matthes empfiehlt bei manchen Themen wie z.B. SMA-Atomreaktoren mehr Gelassenheit. Einfach manchmal an die Flussbiegung setzen und warten bis die Leiche vorbeigeschwommen ist, spart viel Ärger und Kraft, so sein Rat. Die richtigen Technologien werden sich durchsetzen, so sein positiver Ausblick. Das wird auch ein Trump nicht aufhalten.
Erfolgreiche Energiewende in der Praxis
Wie Klimaschutz bereits heute erfolgreich umgesetzt wird, zeigen die Projekte, welche auf dem Energiekongress vorgestellt wurden. Elke Hanel, CDO von Maxsolar, stellte das mehrfach Ausgezeichnete Energiedorf Bundorf vor. In dem nicht nur die Menschen durch den Bürger-Solarpark profitieren, sondern auch ein Platz für die Artenvielfalt geschaffen wurde. So hat sich die Anzahl der Feldlerchen Brutpaare auf der gesamten PV-Freiflächen-Anlage seit Baubeginn von 26 auf knapp 100 fast vervierfacht. Große Reihenabstände der PV-Module kombiniert mit einem größeren Nahrungsangebot (Insekten und Samen) durch extensive Bewirtschaftung der PV-Freifläche sorgen dafür, dass die seltene Feldlerche sich in dem PV-Park sehr wohl fühlt. Sie siedeln sich dort sofort an und die Revierdichte nimmt zu. Ein tolles Projekt, das Vorbild für Solarparks in ganz Bayern sein kann.
Franz-Josef Feilmeier, CEO von FENECOM, gab in seinem Vortrag Einblicke in die Stromspeicher und Energiemanagementsysteme seines Unternehmens, welches ebenfalls zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. Durch die intelligente Nutzung und Speicherung von Strom, je nach Verfügbarkeit auf dem Markt oder durch die eigene PV-Anlage, profitieren die Menschen mit einem solchem Speicher und das Stromnetz wird entlastet. Ab Januar 2025 muss – dank der Grünen in der Bundesregierung - jeder Energieversorger einen dynamischen Stromtarif anbieten. Genau darin sieht Feilmeier eine große Chance den Anreiz dynamische Tarife zu nutzen auf alle Stromverbraucher auszudehnen. Dadurch entsteht allerdings nicht nur der Vorteil günstigen Strom aus dem Netz zu beziehen, wenn dieser beispielsweise mittags im Sommer durch zahlreiche PV-Anlagen negativ wird. In seinem Vortrag macht Feilmeier darauf aufmerksam, dass der Preis bei einer “Dunkelflaute” steigen kann. Diese tritt ein, wenn wenig Wind und PV-Strom verfügbar sind und die Strompreise sich dadurch verteuern. Aus diesem Grund wird ein intelligenter Stromspeicher noch wichtiger, da dadurch der Verbrauch auch zu diesen Zeiten optimiert werden kann und Strom wirklich nur dann aus dem Netz bezogen werden kann, wenn dieser günstiger für den Verbraucher ist.
Im letzten Vortrag des Abends wurde ein Projekt vorgestellt, dass ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die Energiewende leistet. Die Bürgerenergie Aurach, deren vorbildhaftes Projekt von dem Vorstand Johannes Riegel, vorgestellt wurde. Über 1,5 Mio. Euro flossen durch den Bau der PV-Freiflächenanlage an lokale Betriebe in der Region. Dies zeigt welch ein großes Potential in den Erneuerbaren für die lokale Wertschöpfung hat. Auch die Einnahmen der PV-Anlage bleiben bei den Menschen in der Region, die sich an dem Projekt über die Genossenschaft beteiligt haben. Gleichzeitig sorgt die Bürgerenergie Aurach für mehr Akzeptanz für die Energiewende. Knapp 300 Mitglieder tragen den Gedanken der Energiewende bereits nach außen. Zudem bietet die Genossenschaft vergünstigte Stromtarife für Anwohner*innen an. Ein wahres Vorzeige-Projekt, dass hoffentlich noch in vielen anderen Gemeinden in Bayern umgesetzt wird.
Diese erfolgreichen Projekte sowie all die Menschen, die zu dem Bayerischen Energiekongress der Grünen Fraktion gekommen sind, zeigen, dass sich der Einsatz für Klimaschutz und die Energiewende lohnen. Insbesondere in solch turbulenten Zeiten.