Dagegen hat Deutschlandweit die Windkraft im Jahr 2022 kräftig zugelegt. 540 neue Windräder wurden installiert. Ein großer Fortschritt für die Energiewende und den Klimaschutz, sowie für günstigere Strompreise (Quelle Marktstammdatenregister).
Bayern entwickelt sich aber immer mehr zu Deutschlands Sorgenkind Nummer eins bei der Windenergie. Gerade einmal 11 Windräder wurden in Betrieb genommen. Das sind rund 1 % der in Deutschland neu installierten Leistung, obwohl Bayern bezogen auf seine große Fläche mindestens das 16-fache leisten müsste. Der Einbruch seit Einführung 10H ist mehr als deutlich. Der jahrelange Blockadekurs der Staatsregierung bei der Windkraft hat massive Auswirkungen. Meine Anfrage zeigt, dass seit dem Amtsantritt von Markus Söder als Ministerpräsident im Schnitt 8 Anlagen pro Jahr in Betrieb gingen. In den Jahren davor waren es im Schnitt mehr als 100 Windkraftlagen (2013 bis2017waren es 612 Anlagen). Der Einbruch ist also gewaltig und verheerend angesichts unserer Energiekrise.
Und die nächsten Jahre sieht es nicht gut aus: im Jahr 2022 wurden nur 8 Windkraftanlagen genehmigt. Und nur 25 Anlagen sind derzeit in der Pipeline – also beantragt und noch nicht genehmigt. Der Zubau wird also die nächsten Jahre sehr niedrig bleiben. Die jahrelange Blockade von CSU und FW rächt sich bitter. Umso wichtiger war das neue Gesetz von Wirtschaftsminister Habeck, das nun in Kraft tritt und 1,8 % Flächenziel für die Windkraft vorschreibt und so endlich zuverlässig auch frischen Wind nach Bayern bringen wird.
Wirkungslos oder Chaos – eine kluge Planung sieht anders aus
Die CSU/FW haben trotz der anhaltenden beispiellosen Energiekrise im Jahr 2022 entschieden, an 10H festzuhalten und nur kleine Änderungen vorzunehmen. Dieses „Rumdoktern an 10H“ hat nur zur Folge, dass in vielen Bereichen die Regionalplanung ausgehebelt wird und teilweise wahllos Einzelanlagen entstehen werden. In den Planungsregionen Oberpfalz-Nord, Regensburg, Ingolstadt und München können nun ohne jegliche Regionalplanung, Flächenutzungsplanung oder Bauleitplanung einfach Bauanträge gestellt werden – z.B. in allen Wäldern. In allen anderen Planungsregionen greift die Ausnahmeregelung von CSU und FW überhaupt nicht. Unterm Strich kann man sagen: Auf 80 % der Fläche bewirkt die neue Regelung gar nichts, auf 20 % stiftet sie Chaos. Eine kluge Planung sieht wirklich anders aus. Das ist mehr als Murks – eine Abschaffung von 10 H für alle Windkraftgebiete wäre die einzig sinnvolle Maßnahme gewesen.
Landwirtschaftliche Nutzflächen sind ausgeklammert
Die weitgehende Ausklammerung der landwirtschaftlichen Nutzflächen für die Windkraftnutzung gegenüber der Freigabe bei allen Waldstandorten macht keinen Sinn. In sehr vielen Fällen gibt es am Waldrand, auf landwirtschaftlichen Flächen innerhalb von Waldregionen oder generell bei gutem Abstand zur Wohnbebauung, ausgezeichnete Acker-Standorte für die Windkraft. Eine sogenannte Einhegung von über 200 m hohen Windrädern durch 30 m hohe Bäume ist ein Witz. Ich frage mich schon, ob sich Markus Söder und Hubert Aiwanger beim Versteck spielen auch hinter kniehohen Mauern versteckt haben. Es ist leider nur zum Lachen. Und juristsch wird dies keiner Klage stand halten, denn die Staatsregierung liefert keine fundierte Begründung für diese Bevorzugung der Wälder.
Bayrische Staatsforste – Null Anträge und bald wieder schwarzer Peter-Spiel mit den Kommunen?
Im Jahr 2019 hat Ministerpräsident Söder verkündet, dass 100 Windkraftanlagen in den bayerischen Staatsforsten gebaut werden sollen. Im Klimaschutzprogramm der Staatsregierung wurde dies als eine der sehr wenigen konkreten Maßnahmen aufgenommen. Die Anfrage zeigt nun, dass vier Jahre nach der Ankündigung noch immer kein einziger Genehmigungsantrag für ein Windrad in den Staatsforsten gestellt wurde. Vor der eigenen Haustüre, im eigenen Zuständigkeitsbereich so zu versagen, zeigt die Lächerlichkeit des Klimaschutzprogrammes und der vielen, vielen leeren Ankündigungen des Ministerpräsidenten Markus Söder.
Bei dem Vorgehen zur Errichtung von Windenergieanlagen in den Staatsforsten scheinen aber noch immer viele Unklarheiten zu bestehen. So wird auf der Homepage des bayrischen Staatsforste unter https://www.baysf.de/de/wald-bewirtschaften/regenerative-energien/wind.html geschrieben, dass „Voraussetzung für die Entwicklung eines Windenergieprojekts im Staatswald ist zu allererst die Zustimmung der Standortkommune.“ In der Beantwortung meiner schriftlichen Anfrage heisst es jedoch: „Mit der jeweiligen Standortgemeinde eines potenziellen Windenergieprojektes werden bereits im Vorfeld dieses Auswahlverfahrens die kommunalen Belange für die Umsetzung des Windenergieprojektes identifiziert und abgestimmt.“
nicht "ob", sindern "wie"
Um die Ziele im Bereich Windkraft zu erreichen benötigen wir alle guten Flächen. Die Kommunen sollen sich beteiligen und ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung der Projekte erhalten. Es geht aber nicht um das „ob“, sondern das „wie“. Wird hier die Staatsregierung wiederholt den Fehler machen und den schwarzen Peter den Standortkommunen zuschieben? Bei der fatalen 10H-Regelung haben wir gesehen, dass in acht Jahren nur 17 Kommunen die Ausnahmen nutzen und Projekte entstanden sind. Ist die Staatsregierung lernfähig oder werden wieder die gleichen Fehler gemacht und die Windkraft weiter ausgebremst?
Weitere Infos:
Der Stromverbrauch in Bayern blieb die letzten 8 Jahren auf sehr hohem Niveau. Und im Jahr 2021 unterschritt der Beitrag der Windenergie zum Stromverbrauch nach 5 Jahren erstmalig wieder die Schwelle von 5 %. Keine Erfolge bei der Einsparung von Strom und nahezu Null Ausbau der Windenergie führt bei schlechteren Windjahren zu diesem Rückschritt. Andere Länder können dies durch Einsparung und Ausbau ausgleichen – Bayern nicht.
Die neue „10H-Murks-Regelung“ führt zudem dazu, dass diese Windräder nur minimal zum notwendigen Flächenziel beitragen. Diese werden nämlich nur mit ihrer Rotorblattlänge für das Flächenziel von 1,8 % anerkannt. Dies wussten CSU/FW bereits bei der Verabschiedung des neues Gesetzes – es wurde aber trotzdem in alter Manier durchgeboxt.
Hintergrund:
Ein Windrad in einem ausgewiesenen Windgebiet geht mit durchschnittlich 30 ha in die Flächenberechnung ein. Bei den Einzelgenehmigungen wird nur die Rotorblattlänge akzeptiert. Das wären bei einem Rotorblattlänge von 80 m rund 2 ha. Zur Erreichung der Flächenziele tragen die Pseudo-10H-Windräder also kaum etwas bei.
→ die Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf