Mit meinem Kollegen Max Deisenhofer habe ich das Rigdon Werk in Günzburg besucht. Die Runderneuerung von Fahrzeugreifen ist ein zentraler Bestandteil einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft und trägt sehr gut dazu bei, Klimaschutz und Wirtschaftsförderung miteinander zu verbinden. Durch die Verlängerung des Lebenszyklus von Reifen werden wertvolle Rohstoffe im Kreislauf gehalten und natürliche Ressourcen geschont. Gleichzeitig sinken die Betriebskosten von Fuhrparks, was die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Allein in Deutschland fallen jährlich 49 Millionen Altreifen an. Das sind 525.000 Tonnen pro Jahr. Mit dieser Menge könnte sechsmal das Olympiastation bis zum Rand gefüllt werden.
Mit der Runderneuerung wird die gleiche Qualität erreicht wie bei einem neuen Reifen. Diese kann mindestens 2-3 mal erfolgen und so der Müllberg deutlich reduziert werden. Im LKW-Bereich haben wir derzeit eine Quote von zumindest noch 30 % Anteil an runderneuerter Reifen (wir waren mal bei 50%!). Im PKW-Bereich liegt sie bei traurigen 0,1 %. Hier hat die Reifen-Lobby sich erfolgreich durchgesetzt, da sie mit neuen Reifen mehr Gewinn macht (Conti-Studie zu angeblich höherem Rollwiderstand ist widerlegt). Besonders beeindruckend ist auch der Beitrag zum Klimaschutz. Bei unserem Besuch der Rigdon GmbH in Günzburg wurden uns von Geschäftsführer Günter Ihle folgende Zahlen vorgestellt: Ein runderneuerter Pkw-Reifen verursacht bei der Herstellung etwa 21 Kilogramm weniger CO₂-Emissionen als ein neuer Reifen. Bei Lkw-Reifen liegt die Einsparung sogar bei rund 135 Kilogramm CO₂ pro Reifen, das sind etwa zwei Drittel weniger. Hochgerechnet auf das Jahr 2021 konnten in Deutschland durch die Fertigung runderneuerter Reifen etwa 114.000 Tonnen CO₂ eingespart werden.
Herr Ihle ist sehr aktiv. Er hat auch die Gründung des azur Netzwerks initiiert. Und beim Verband bvse ist er im Fachverband Reifen und Gummi als Innungsobermeister aktiv.
Auch die Ressourcenschonung ist erheblich: Im Vergleich zu Neureifen spart ein runderneuerter Pkw-Reifen rund 5,9 Kilogramm Rohstoffe ein, ein runderneuerter Lkw-Reifen sogar über 44 Kilogramm. Insgesamt wurden so 2021 rund 37.000 Tonnen an wertvollen Materialien wie Gummi und Stahl eingespart, gleichzeitig fiel weniger Abfall an, was wiederum die Umwelt entlastet (Grundstoff für Reifen ist meist Naturkautschuk).
Trotz dieser ökologischen und ökonomischen Vorteile kämpft die Branche mit erheblichen Herausforderungen. Unter anderem billige Importreifen gefährden die Zukunft der Runderneuerung in Deutschland.
Dabei sind die Forderungen an die Politik eindeutig: Gebrauchtreifen dürfen nur von zertifizierten Betrieben gesammelt und sortiert werden, um Qualität und Sicherheit zu gewährleisten. Recycling muss in der EU erfolgen und Importreifen müssen runderneuerungsfähig sein. Ebenso wichtig ist, dass die EU-Taxonomie angepasst wird, damit runderneuerte Reifen rechtssicher eingesetzt werden können.
Die öffentliche Hand sollte hier mit gutem Beispiel voran gehen. Eine klare Priorisierung bei öffentlichen Ausschreibungen wäre nötig. Kommunen sollten mindestens 50 Prozent ihrer Reifen mit runderneuerten Produkten decken, wo diese verfügbar sind. Realität ist laut Herrn Ihle aber oft, dass in Ausschreibungen runderneuerte Reifen aus Unkenntnis verboten werden.
Auch die Vielfalt an Reifendimensionen ist zu überdenken. Es gibt über 5000 PKW-Reifen. Das macht keinen Sinn und erschwert die Runderneuerung.
Das vielversprechendes Beispiel der Firma Rigdon GmbH in Günzburg (Bayern) konnten wir besichtigen. Dort wird mit Hilfe von Bundesfördermitteln in Höhe von 2,4 Millionen Euro eine moderne, KI-gestützte und vollautomatisierte Anlage zur Runderneuerung von Pkw-Reifen aufgebaut. Diese innovative Technik spart im Vergleich zu Neureifen rund die Hälfte an Energie und zwei Drittel an Materialien. Mit einer geplanten Jahresproduktion von etwa 300.000 Reifen könnten damit jährlich über 6.300 Tonnen CO₂ sowie erhebliche Mengen Stahl und Gummi eingespart werden.
Das Beispiel zeigt deutlich: Runderneuerte Reifen sind nicht nur ein ökologisch sinnvoller Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der Arbeitsplätze sichert und lokale Wertschöpfung schafft. Die Politik muss jetzt die richtigen Rahmenbedingungen setzen, um dieses Potenzial voll zu nutzen, für den Klimaschutz, für die regionale Wirtschaft und für eine nachhaltige Zukunft.
Nachweise: