Meinung der Expert*innen – Bayern versagt bei Energiewende 

Nun haben wir es offiziell – Bayern kommt bei der Energiewende nur sehr schleppend voran. Im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung haben wir in der Anhörung vom 16. Mai 2024 gemeinsam mit Expert*innen die Wege zur Beschleunigung des Prozesses im Strombereich diskutiert. Jede Fraktion durfte basierend auf ihrer Größe verschiedene Fachleute zur Anhörung einladen. Das Fazit der Fachleute war eindeutig – Bayern tut viel zu wenig.

 

Energiewende im Strombereich: Anhörung im Wirtschaftsausschuss

Die Hauptprobleme in Bayern 

In Bayern haben wir einige Hauptprobleme, die die Energiewende verlangsamen und erschweren: Der Abbau bürokratischer Hürden, zu langsame Genehmigungsverfahren und die fehlende Förderung von Speichertechnologien sind hier gravierend und verhindern den Ausbau der erneuerbaren Energien. Eine weitere große Baustelle: Der Ausbau der Stromnetze um die erneuerbare Energie auch einspeisen und integrieren zu können. Die Experten Sepp Bichler von der Energiebauern GmbH und Jörg Ebel vom Bundesverband Solarwirtschaft hebten die Bedeutung eines besseren Stromverbrauchsmanagements und den Ausbau der Stromnetze hervor, um besonders die Solarstrom effektiv zu nutzen. 

Die ewige Debatte um die Atomkraft  

Natürlich wurde auch die Atomkraft wieder thematisiert – Söders aktuelle Lieblingsthema der Energiewende. Das man hierbei auf das falsche Pferd setzt, betonen wir seit dem Atomausstieg. Atomkraft ist teuer und ohne staatliche Subventionen unwirtschaftlich, gleichzeitig haben wir keine Lösung für den hochradioaktiven Müll – mit den erneuerbaren Energien kann die Atomkraft nicht mehr konkurrieren. Atomkraft ist nicht mehr als eine billige Scheinlösung im Hinblick auf die Energieversorgung. Das haben uns auch 9 von 11 der Expert:innen bestätigt. Nur die benannten Experten der Fraktion der AfD, Dr. Björn Peters und Frank Hennig, argumentieren für eine vermeintliche Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit der nuklearen Energie. Die restliche Expert:innen lehnen eine Rückkehr zur Atomkraft ab – und bestätigen somit, dass Atomkraft für die Energiewende keine Rolle spielt.  

Konkrete Vorschläge für Entbürokratisierung der Energiewende  

Viel wurde über Probleme diskutiert, aber natürlich auch über konkreten Lösungen und Vorschläge. Im Hinblick auf den Abbau der Bürokratie forderten Andreas Herath von TenneT und Dr. Andreas Kießling vom Bayernwerk die Raumordnungsverfahren beim Neubau von Leitungen zu reduzieren und bestehende Masten effizienter zu nutzen für eine verkürzte Planungszeiten. Eine weiteren positiven Aspeckt brachte Brend Wust vom BWE ein, der auf eine Studie des BEE verwies, welche die Einspeisung von Wind- und Solarstrom über gemeinsame Netzeinspeisepunkte untersucht. Damit dies in der Praxis umgesetzt wird und die Stromnetze entsprechend entlastet werden, ist eine zentrale Koordinierungstelle notwendig, wie Herr Kießling vom Bayernwerk betonte. Auch Dr. Christian Kraus vom Verbund schlug vor, komplexe Genehmigungsverfahren an zentralen Behörden zu konzentrieren und diese zu digitalisieren. Somit können Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. 

Planungs- und Rechtsunsicherheiten 

Auch mehr Sicherheit in der Planbarkeit wurde thematisiert. Josef Niedermaier, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Regionalen Planungsverbände, fordert klarere Planungsvorgaben von Bund und Land, um Unsicherheiten zu vermeiden. Unverständins zeigte der Landrat auch darüber, dass erst das Ziel 1,1 Prozent der Flächen bis Ende 2027 für die Windenergie ausgewiesen werden müssen und in einem zweiten Schritt bis Ende 2032 das 1,8 % Ziel erfüllt werden muss. Dies sei ein unnötiger Schritt, der einen hohen bürokratischen Aufwand für die Planungsverbände und Kommunen bedeutet. Auch Experte Jörg Ebel ergänzte hierbei, dass weniger Bürokratie und klar definierte Standards notwendig sind.  

Windkraft, Solar und Speicher für Bayern 

Auch eins meiner Herzensthemen die Windkraft in Bayern wurde thematisiert: Dr. Bernd Wust vom Verein WindEnergie betont die zu langsame Ausweisung neuer Flächen für Windkraftanlagen und fordert die Abschaffung der 10H-Abstandsregel. Auch etwas was wir Grüne seit Jahren im Landtag predigen. Die aktuellen Zahlen zum Windausbau in Bayern sind wieder sehr ernüchternd – nur 3 WEA wurden seit Jahresbeginn in Bayern gebaut – in ganz Deutschland waren es 130. Doch wir müssen erneuerbaren Strom nicht nur produzieren, sondern auch speichern könne. Expertin Dr. Daniela Fietze von der Stiftung Umweltenergierecht erläutert die rechtlichen Spielräume Bayerns zur Förderung der Energiewende. Hierbei schlug sie vor ein Förderprogramm für große Batteriespeicher aufzulegen, eine Solardachpflicht für Wohngebäude einzuführen und die Regelungen zu Abstandsflächen beim Bau von Windrädern zu lockern.  

Fazit  

Die Expert*innen sind sich einig, dass zur Beschleunigung der Energiewende im Strombereich in Bayern dringend weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungsverfahren und klare Vorgaben notwendig sind. Die Staatsregierung kann hier eine ganze Liste an Maßnahmen sofort umsetzen. Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Förderung von Speicherkapazitäten müssen zügig vorangetrieben werden. Die Diskussion um Kernenergie muss begraben werden und die Staatsregierung muss sich endlich auf die wichtigen Herausforderungen der Energiewende konzentrieren und diese konkret angehen. Der Netzausbau und netzdienliche Speicher sind ein wesentlicher Punkt. Mit Ausreden und Verzögerungen muss endlich Schluss sein.  

Details der einzelnen Expert*innen hier (Stellungnahmen im Anschluss). 

Statements der Fachleute

 

Bernd Wust Fachverband Windenergie

In Bayern gibt es derzeit 1150 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 2,6 GW. Ziel ist laut der Energiesystemanalyse der bayerischen Staatsregierung auch eine installierte Leistung bei der Windkraft von 15 GW bis 2040. Mit dieser Leistung könnte dann eine Strommenge von 30 TWh im Jahr erzeugt werden. Insgesamt würden dafür rund 3000 Windkraftanlagen benötigt. Pro Woche sind für dieses Ziel drei Anlagen in Betrieb zu nehmen. Im ersten Quartal 2024 wurden jedoch nur neun Anlagen genehmigt. Der Stillstand durch die 10H-Regel wird noch lange zu spüren sein. Die 10H- Regel ist grundsätzlich komplett abzuschaffen, da es in der Praxis immer noch Schwierigkeiten und zusätzliche Bürokratie bereitet. Die im Wind-an-Land-Gesetz vorgesehenen 1,8 % Fläche reichen für die Zielsetzung aus. Nachdem die Flächen ausgewiesen sind, benötigt man in der Regel noch vier Jahre, bis die Anlagen in Betrieb gehen. Ein ganzes Jahr ist nötig für die Erstellung der Gutachten. Ein Jahr ist durchschnittlich nötig für die Genehmigung des Windrads und zusätzliche zwei Jahre sind nötig für Bestellung und den Bau. Der erste Schritt ist die Flächenbereitstellung. Baden-Württemberg hat hier Ende 2025 für alle Planungsverbände als Frist ausgegeben. Bayern sollte dies ebenfalls tun und allen 18 RPVs vorschreiben, dass sie ihr Flächenziel bis Ende 2025 erreichen sollen. Die Verteilung des 1,8 % Ziels auf die 18 regionalen Planungsverbände sollte möglichst schnell erfolgen. Die Staatsregierung verkompliziert immer wieder die Genehmigung. So ist nun die Wasserschutzgebietszone III nochmals aufgeteilt worden in IIIA und IIIB. In IIIa darf nun gar nicht mehr gebaut werden. Zudem führe die Verdopplung der Landschaftsbildabgaben für Windräder durch den Freistaat zu einer künstlichen Erhöhung des Strompreises.  

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Sepp Bichler, Energiebauern

Der Staat ist Preistreiber bei Pachterlösen besonders bei der Windkraft. Seehofer hat VLAB (Verein für Landschaftspflege, Artenschutz & Biodiversität) ins Leben gerufen, der bis heute Dutzende Windkraftanlagen beklagt hat. Die 43 PV-Freiflächenanlagen seiner Firma werden im Schnitt zu 12 % abgeregelt. Das ergab im Jahr 2023 eine Strommenge von 37 Millionen kWh, die nicht ins Netz eingespeist werden konnte. Trauriger Spitzenreiter ist die Anlage in Ansbach mit 50 % Abregelung. Die N-Energie als Versorgungbetreiber ist hier besonders schlecht. Hier wären Flexibilisiert Stromtarife sehr hilfreich. Wasserstoff hingegen wird kaum eine Lösung darstellen, da dieser noch lange zu knapp und zu teuer sein wird. 

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Dr. Daniela Fietze, Stiftung Umweltenergierecht 

Netzdienliche Speicher im Quartier oder als größere Einheiten wären sehr sinnvoll. Hier könnte die bayerische Staatsregierung ein Förderprogramm aufsetzen, da dies mit dem Kumulierungsverbot im EEG vereinbar ist. Der Solarpflicht auf Nicht-Wohngebäuden sollte eine Solarpflicht auf neuen Privathäusern folgen. Zur Beschleunigung der Energiewende sollten Restriktionen, die wenig sinnvoll sind, abgeschafft werden. Hier nannte sie beispielhaft die Abstandsflächen in Art. 6 der bayerischen Bauordnung. Diese sind eigentlich für Siedlungen mit enger Bebauung gedacht. Sie werden in Bayern jedoch auch auf Windräder angewandt. Der Abstand von 0,4 h (Höhe des Objekts) ist hier ein Problem, da sehr viele Grundstückseigentümer in der Umgebung zwingend zustimmen müssen. Eine Reduktion auf die vom Rotor überstrichene Fläche wäre hier sinnvoll. Die neuen Regelungen im Solarpaket 1 der Bundesregierung zur Flächenbereitstellung von öffentlichem Grund für Leitungen sollten über ein Rundschreiben an alle bayerischen Behörden schnell bekannt gemacht werden.

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Jörg Ebel, Solarverband  

Neubauten sollten generell „solar ready“ gebaut werden. Die Auslastung von Netzverknüpfungspunkten beträgt teilweise nur 13 %. Eine gemeinsame Nutzung beziehungsweise eine Mehrfachnutzung von Wind und PV würde hier das bestehende Netz weitaus besser ausnutzen können. Das Solarpaket der Bundesregierung lobte der Verterter des Solarverbands ausdrücklich.

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Andreas Herath, TenneT 

Der Planfeststellungsbeschluss für den Süd-Ostring ist erfolgt. Heute erfährt er Rückenwind von der Staatsregierung - lange Zeit galten die Leitungen jedoch als Monstertrasse. Heute begrüßt er die Bezeichnung "Heimat Netz" der Staatsregierung. Leider hat der Gegenwind, der lange Zeit durch die Staatsregierung erfolgte, zu einer deutlichen Verzögerung geführt. Eine oberirdische Verlegung der neuen HGÜ-Trasse Nordwestlink mit Endpunkt in Baden-Württemberg würde 20-30 Milliarden € einsparen. Die Redispatch-Kosten lagen im Jahr 2023 bei 3,5 Milliarden €. Ohne konsequenten Netzausbau würden diese Kosten jährlich anfallen und weiterhin steigen.

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Herr Kießling, Bayernwerk 

Das Bayernwerk deckt 80 % der Fläche Bayerns ab und versorgt somit rund 60.000 km². Im Jahr 2023 schloss das Bayernwerk 88.000 neue PV-Anlagen an, die insgesamt eine Leistung von 2300 MW erbrachten – das übertrifft sogar die Leistung eines Atomkraftwerks. Strom wird somit der wichtigste Energielieferant. Die Energiewende muss jedoch umfassend gedacht werden und auch Mobilität und Wärme einbeziehen. Die derzeitige Stromverbrauchsmenge in Bayern von knapp 90 TWh wird für das klimaneutrale Bayern auf 150-180 Terrawattstunden steigen. Heute schon speisen die Bayernwerke in Spitze 6000 MW Leistung in das Übertragungsnetz der Tennet hoch. Wir benötigen dringend Speicher, um die so genannte Solarglocke am Tag in die Abendstunden zu bringen.

In Bayern gibt es derzeit 46.000 Speicher, aber kein einziger davon ist netzdienlich. Das damalige Förderprogramm sah diesen Aspekt nicht vor. Wir brauchen dringend eine Definition eines netzdienlichen Speichers und darauf aufbauend ein gezieltes Förderprogramm für netzdienliche Speicher. In den nächsten Jahren werden zur Netzoptimierung 1000 km Hochspannungsleitungen gebaut. Das Bayernwerk hat eigene Sensoren für Hochspannungsleitungen entwickelt, um diese besser auslasten zu können. Im Niederspannungsnetz werden konsequent digitale Ortsnetzstationen, so genannte „Ronds“ (regelbare Ortsnetztrafos), eingesetzt. Bis 2030 sollen hier 1000 digitale Ortsnetzstationen verbaut werden. Kießling regt eine Koordinierungsstelle für gemeinsame Einspeisung von Wind und Sonne an. Bisher hat er in seinem ganzen Gebiet nur vier Anfragen für eine gemeinsame Nutzung erhalten.

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Christian Kraus, Verbund 

Auch bei den Wasserkraftanlagen wird vermehrt abgeregelt. Bei nur zwei Wasserkraftanlagen fand im Jahr 2023 eine Abregelung statt in Höhe von 10 Millionen kWh.  

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Josef Niedermeier, Landrat Bad Tölz, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft regionale Planungverbände und Vorsitzender des regionalen Planungsverbandes 17 Oberland  

Der Landrat plädiert dafür, dass bei den Planungen keine pauschalen Ausschlüsse erfolgen sollten. Als negatives Beispiel nennt er die Ausweisung von Dichtezentren für schlaggefährdete Vogelarten. Ausschlüsse und Restriktionen sollten auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Bei den Planungen müssen die Planungsverbände nun einen 3 km Radius zum Beispiel um den Horst von Fischadler und Seeadler ausweisen. Wenn es später ins Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BiMSchG) geht, reichen jedoch Abstände von 1,5 km beim Fischadler und 2 km beim Seeadler. So werden im Vorfeld Flächen ausgeschlossen, die später bei der detaillierten Planung und Genehmigung möglich wären. Das ergibt keinen Sinn. Die Ausschreibungen der Staatsforsten bei der Windkraft sind schädlich und sehr kontraproduktiv. Denn die Staatsforsten arbeiten hier gegen eine Kommunalbeteiligung - so wird keine Akzeptanz in der Bevölkerung geschaffen.

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Stefan Rauh, Biogas Fachverband 

Von dem derzeitigen Strombedarf Bayerns erzeugen Biogasanlagen rund 6,5 %. Es ist nicht vorgesehen, die erzeugte Strommenge zu erhöhen, aber es wäre sehr sinnvoll und möglich, die Leistung auf drei GW zu verdoppeln. Dadurch könnten Biogasanlagen noch besser und stärker netzdienlich agieren und Flauten bei Sonne und Wind ausgleichen. Bei den Ausschreibungen des Bundes erhalten derzeit zwei von drei Anlagen keinen Zuschlag. Von den derzeit ausgeschriebenen 500 MW erhalten 1000 MW keinen Zuschlag. Im neuen Solarpaket soll nun 29 % der nicht abgerufenen Ausschreibungsmengen im Biomethanbereich auf den Biogasbereich übertragen werden können, was rund 174 MW ab dem Jahr 2025 entspricht. Das ist hilfreich, aber noch nicht ausreichend.

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Protokoll der Anhörung 

Bildquelle: Eigene Aufnahme

Im Dialog

©Foto: Manuel Schuller
©Foto: Manuel Schuller

Wirtschaft

Im ständigem Austausch mit den Unternehmer*innen in Bayern erfahre ich welche Fragen, Anregungen und Wünsche an die Politik gestellt werden und wie wir sie unterstützen können.

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©Foto: Andreas Gebert

Vor Ort

Wichtig ist mir mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen, mit ihnen zu diskutieren und von ihnen Anregungen für meine parlamentarische Arbeit im Landtag mitzunehmen.

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Martin Stümpfig in Freuchtwangen
© Foto: Wolf Kehrstephan

Region

Ich bin in Feuchtwangen, im Landkreis Ansbach aufgewachsen – hier bin ich verwurzelt, hier achte ich darauf, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Landtag vertreten sind .

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