Herbstklausur 22.-24.September 2021

Erhalten, was uns erhält: „Unser Wald, unser Wasser, unser Leben“. Das war das Thema unserer Herbstklausur in Fürth. Es ging u.a. um Wasserschutz durch Bio-Landwirtschaft, Moore als CO2-Megaspeicher und den Wald der Zukunft.

©sharepic: Grüne Fraktion Bayern

Bürgerbegehren zu Sachfragen machen den Willen der Bevölkerung ungefiltert sichtbar und zeigen die Grundhaltung der Gesellschaft zu politischen Herausforderungen. Beim Klimaschutz in Bayern bestimmen 2021 die Bürgerinnen und Bürger den Takt. Bei einigen Grundsatzfragen im Spannungsfeld zwischen klimafreundlichem Fortschritt und dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen hatten 2021 die bayerischen Bürger*innen Richtlinienkompetenz:

  • In Weiden in der Oberpfalz stimmten die Menschen im Februar 2021 in einem Bürgerbegehren klar gegen die Rodung von rund 70 Hektar Wald für ein Gewerbegebiet.

  • Im Mai 2021 lehnten die Anwohner*innen am Brombachsee in Mittelfranken eine Centerparcs-Anlage mit rund 800 Ferienhäusern in einem Waldstück ab.

  • Zwei Wochen vorher befürworteten die Einwohner*innen des Landkreises Ebersberg in einem Bürgerentscheid den Bau von fünf Windkraftanlagen im Ebersberger Forst.

  • In Sinzing bei Regensburg votierten die Bürger*innen im Juni 2021 für den Bau von zwei Windrädern.

Das sind Einzelbeispiele, die ein Muster ergeben: Die Menschen in Bayern wollen Freiraum für die Natur und wirksamen Naturschutz, auch um sich selbst in sattem Grün oder am glasklaren Wasser erholen zu können. Gleichzeitig sind sie offen für eine moderne, dauerhaft sichere und saubere Energieversorgung.

Die grünen Themen und jahrzehntelangen Forderungen haben den Rückhalt der Menschen wie noch nie. Sie spüren, dass der Erhalt unserer Naturgüter und der Aufbau einer klimaneutralen Energieversorgung kein Selbstzweck ist. Hier bildet sich ein unsichtbares Band, eine echte „Klimaallianz“ in der Bevölkerung. Den Bürger*innen Bayerns ist bewusst: Die Natur ist unsere Verbündete, nicht unsere Gegnerin. Und es bleibt nicht mehr viel Zeit zu handeln, um auf den 1,5-Grad-Pfad des Pariser Klimaabkommens zu gelangen.

Klimaneutralität braucht harmonisches Zusammenspiel zwischen Natur und Technik

Klimaschutzpolitik ist wie ein gut gestimmtes Orchester. Die einzelnen Maßnahmen sind die unterschiedlichen Instrumente, die erst gemeinsam richtig gut klingen. Erst wenn alle Instrumente miteinander harmonieren, sind wir auf einem konsequenten Weg in Richtung Klimaneutralität. Nur wenn wir durch Wind und Sonne genug erneuerbaren Strom erzeugen, gelingt zum Beispiel beim Auto oder der Heizung der Umstieg von Öl oder Gas auf strombasierte Alternativen (E-Auto, Wärmepumpe etc.). Nur wenn wir uns unseren Wald schützen und klimafest machen, können wir Holz als hochwertiges, CO2-bindendes Baumaterial noch stärker nutzen als bisher.

Wir wollen deshalb einen doppelten Aufbruch: Der Anspruch muss sein, natürlichen und technischen Klimaschutz zu vereinen – für maximale Klima-Wirksamkeit, höchste Lebensqualität und wirtschaftlichen Wohlstand. Für ein zukunftsstarkes Bayern müssen wir deshalb zwei Bereiche entfesseln:

• Den technologischen Wandel hin zum ökologisch verträglichen Wirtschaften
• Die natürlichen Verbündeten beim Klima- und Artenschutz: Wasser, Wälder und Moore

Für die Bewältigung der Klimakrise brauchen wir weitere technische Innovationen mehr denn je – und das weit über die Erfolgsgeschichte der Solarpanels und künstlicher Intelligenz für smarte Energiesteuerung hinaus. Innovationen sind dringend nötig, sie bedeuten gleichzeitig erhebliche Investitionen insbesondere in Forschung und Entwicklung.

Als Partner, die „einfach da“ sind, gilt für Wälder, Moore und Gewässer etwas anderes: Sie sind die kostengünstigen Keyplayer beim Schutz unseres Klimas und unserer Lebensgrundlagen. Wer sie nicht nutzt, denjenigen fehlt der echte Wille die Herausforderungen der Klimakrise zu meistern.

Diese Naturräume haben in der Klimakrise eine vielfältige Rolle: Sie sind auf der einen Seite durch Hitze, Trockenheit und Stürme gefährdet – und mit ihnen viele Arten, die dort leben. Gleichzeitig entfalten sie mit ihren Qualitäten als Wasserreservoir, Klimaanlagen sowie als Lebens- räume für Tiere und Pflanzen, Erholungsräume für uns Menschen ein gewaltiges Potenzial gegen Klimakrise und Artensterben. Sie sind natürliche Klimaschutzgebiete.

Wald, Wasser, Moor: Unser Kapital

Aus diesem Grund braucht es einen Verständniswandel: Bislang wurden Wasser, Wälder und Moore vorwiegend als nutzbare Ressource verstanden. Ihre Wertigkeit und Bedeutung für uns Menschen ist aber viel größer – dem müssen wir politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich Rechnung tragen. Wir wollen den reinigenden Kräften der Natur freien Lauf lassen, um im Arten- und Klimaschutz ein neues Zeitalter einzuläuten. Wälder, Wasser und Moore sind dabei Barrieren gegen die Klimafolgen und gleichzeitig die Erdüberhitzung abpuffernde Hilfskräfte. Das ist ökologisch wie auch ökonomisch klug: Intakte Moore, sauberes Wasser und klimastabile Wälder sind kosteneffiziente Verbündete beim Schutz unseres Klimas. Sie sind unser Kapital für ein lebenswertes Morgen.

Moore

Es braucht nicht viel, um Moore als Verbündete für uns zu gewinnen: Wir müssen lediglich ihre natürlichen Funktionen zulassen. Moore eignen sich sehr gut als CO2-Megaspeicher. In den deutschen Mooren ist ungefähr gleich viel CO2 gebunden wie in unseren Wäldern. Moore müssen darum großflächig in ihren ursprünglichen Zustand gebracht werden. Es gibt keine Maßnahme für Klima- und Naturschutz, die ihr Geld so gut wert ist wie Moorrenaturierungen. Der Dreifach-Effekt für Klima, Wasserhaushalt und Artenvielfalt ist unschlagbar. 15 bis 20 Prozent der bayerischen Moore werden nicht genutzt, haben aber dennoch einen gestörten Wasserhaushalt. Ihr CO2-Speicher ist also nicht in Betrieb. Wir müssen sie sofort zu Klimaschutzgebieten umbauen.

Wir wollen u. a.:

  1. Sofortige Renaturierung von 35.000 Hektar ungenutzter Moorflächen in Bayern

  2. Ende der landwirtschaftlichen Nutzung und Wiedervernässung der Moore auf staatlichen Flächen bis 2025

  3. Intensive Förderung klimaschonender Bewirtschaftung von Moorflächen (Beweidung, Paludi-Kulturen, Photovoltaik usw.)

Wald

Im Wald ist eine neue Balance des „Schützens und Nützens“ nötig. Die bayerischen Wälder kämpfen heute mehr denn je mit den Folgen einer falschen Klimapolitik der vergangenen Jahrzehnte. Wälder sind natürliche Klimaanlagen und gigantische Kohlenstoffspeicher. Wir brauchen weniger Nadelholzplantagen und mehr Freiraum für den Organismus Wald. Wie in einem Baukastensystem die Fichte durch die Douglasie zu ersetzen, ist der falsche Weg. Es braucht mehr Vielfalt, Ruhe- phasen und urtümliches Wachstum – echte Naturwälder als Klimaschutzgebiete. Zugleich ist der Wald bei einem ausbalancierten Wald-Management eine nie versiegende Ressourcen-Quelle: Er liefert Holz als regionalen, klimafreundlichen Rohstoff.

Wir fordern u. a.:

  1. Öffentliche und private Klimawälder: Schutzprogramme für Privatwaldbesitzer*innen und Kommunen stärker fördern, naturgemäße und ökologische Waldbewirtschaftung im Staatswald, ein 3. Nationalpark für Bayern im Steigerwald

  2. Holz als Baustoff Nr. 1 in öffentlichen und privaten Gebäuden etablieren: U. a. Bürger*innen und Kommunen über das Wohnungsbauprogramm beim Bauen mit Holz finanziell unterstützen

  3. Unser Wald bleibt: Kein Staatswald darf mehr für Gewerbegebiete geopfert werden

Wasser

Der Schutz unseres Grundwassers war in den letzten Jahrzehnten und ist bis heute unzureichend. Hauptprobleme sind mangelnde Wasserqualität und die flächendeckend abnehmende Menge. Dabei ist es als unsere primäre Trinkwasserquelle für unser Leben besonders bedeutsam: Bereits 2019 hat eine internationale Forschergruppe festgestellt, dass in den nächsten 100 Jahren wahrscheinlich nur die Hälfte der Grundwasservorkommen weltweit wieder vollständig aufgefüllt werden. Wasser ist keine Ware, sondern ein öffentliches Gut. Als unser Lebenselixier ist es zu wertvoll, um es als Ressource zu verschwenden oder durch Chemikalien, Medikamente oder Düngemittel zu verunreinigen. 

Wir fordern u.a.:

  1. Einführung eines Wasserentnahmenentgeltes
  2. Ausweisung von Wasserschutzgebieten bis zum Jahr 2030 auf mindestens 12 Prozent der Fläche Bayerns
  3. Schutz des Wassers durch Reduzierung des Nitrat-, Chemikalien- und Pestizideintrags und strenge Kontrolle der Düngeverordnung über allen Grundwassereinzugsgebieten, Stärkung des Ökolandbaus in Wasserschutzgebieten
Jetzt das Tor zu einem klima- und umweltfreundlichen Leben öffnen

Echter Schutz unserer Lebensgrundlagen braucht Veränderung und ist Voraussetzung dafür, Stabilität, Wohlstand und Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern. Nur wenn wir elementare Bausteine unseres Lebens wie Wasser, Wälder und Moore erhalten, bewahren wir den demokratischen Grundkonsens in Bayern, Deutschland und der Welt. Ohne Zugang zu Lebensressourcen wie Wasser, Luft oder Boden ist friedliches Zusammensein kaum vorstellbar.

Wir haben die Schlüssel für das Tor zu einem klima- und umweltfreundlicheren Leben in der Hand. Öffnen wir das Tor jetzt nicht, bleibt es vielleicht für immer verschlossen.

→ Positionspapier Wald der Zukunft vom 24.09.2021
 Positionspapier Moore vom 24.09.2021 
Positionspapier Wasser vom 24.09.21

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