Der Koalitionsvertrag ist ein mutloses „Weiter-so"

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag bleibt vage, mutlos und rückwärtsgewandt. Statt konkreter Maßnahmen für Klimaschutz und Energiewende dominieren faule Kompromisse, fossile Abhängigkeiten und politische Nebelkerzen. Besonders beim Windkraftausbau, im Gebäudesektor und beim Umgang mit Migration drohen fatale Rückschritte.

Eigene Darstellung, erstellt mit der KI-Bildgenerierungsfunktion von OpenAI (DALL·E), April 2025.

Sehen wir auf die Dramatik der Klimakrise, wie im Artikel „1,5 °Grenze ist gefallen“ beschrieben, sollte allen klar sein, dass das nicht geht. In weiten Teilen ist er maximal schwammig und minimal konkret. Tatkräftige Maßnahmen im Bereich Klima, Energie und Umwelt fehlen komplett. Ich beschränke mich v.a. auf die Bereiche Energie und Klima in meiner Bewertung hier:

 

Klimaschutz 

Das Klimaziel 2045 wird beibehalten. Aber das ist schon alles. Es wird keine relevante Maßnahme genannt, wie das erreicht werden soll. Höchstens noch durch Tricksereien: So sollen von Deutschland finanzierte Klimaprojekte im außereuropäischen Ausland auf die deutschen Klimaziele angerechnet werden können. Das ist moderner Ablasshandel. Zum Glück wurde diese Art der Kompensation auf maximal drei Prozentpunkte des 2040-Ziels beschränkt. Trotzdem gilt: Jetzt ist es die Union selbst, die plötzlich Radwege in Peru finanzieren will.

 

Wärme und Gebäude 

Ich beginne mal mit einem Zitat aus dem Kapitel Wärme und Gebäude: „Wir werden das Heizungsgesetzabschaffen. Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher. Die Sanierungs-und Heizungsförderung werden wir fortsetzen“.

Hier haben es CSU, CDU und SPD tatsächlich geschafft in einem Satz ein Gesetz abzuschaffen, das es gar nicht gibt (es gibt nur ein Gebäudeenergiegesetz – kein Heizungsgesetz), um dann im nächsten Satz zu betonen, dass sie die Förderung in dem Bereich fortsetzen. Trotzdem bleibt zu befürchten, dass sich hinter den Plattitüden „technologieoffener, flexibler und einfacher“ das GEG wahrscheinlich stark geschliffen werden soll. Und das auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, denn das GEG kommt mittlerweile sehr gut an. Zahlreiche Verbände unterschiedlichster Couleur plädieren für eine Beibehaltung. Fällt das GEG, werden viele Menschen mittelfristig in die Energiearmut durch teures Öl und Gas getrieben. 

 

Energiepolitik und Atom

Viele Worthülsen auch in diesem Kapitel. Alle Erneuerbaren sollen genutzt werden – wobei bekannt sein sollte, dass die großen Potenziale im Bereich der Wind- und Solarenergie liegen. Unter dem Vorwand Versorgungssicherheit, Kosteneffizienz und Netzausbaubedarf sollen die ambitionierten Ausbauziele der Ampel im Rahmen eines Monitorings bis zum Sommer 2025 überprüft und sehr wahrscheinlich für PV und Wind infrage gestellt werden.

Von einer Reaktivierung der Atomkraftwerke ist keine Rede mehr – kein einziges Wort dazu. Und das, obwohl Markus Söder keine Woche vergehen ließ, ohne irgendwelche irren Atom-Scheindebatten zu führen. Das war reine Wählertäuschung. Kaum hat er in Berlin auch was zu sagen, ist das Thema vom Tisch.

 

Energiepreise und Gasförderung

Die Union will heruntergefahrene dreckige Öl- und Gas Kraftwerke wieder anschmeißen und damit den Strompreis drücken. Alle Experten halten das für absolut marktverzerrend und klimaschädlich. Leider hat sich die Union durchgesetzt

Sehr kritisch ist in dem Kapitel auch, dass die „Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland“ genutzt werden sollen. Das wäre fatal! Fossile müssen unter der Erde bleiben.

 

Netze 

Mit dem Kapitel kann ich so weit ganz gut leben. Der Ausbau der Netze soll vorangebracht werden. Dabei sollen vor allem Freileitungen bevorzugt gebaut werden, da sie deutlich günstiger sind. Von Habeck bereits auf den Weg gebrachte Vorhaben wie die Überbauung der Netzverknüpfungspunkte oder der schnellere Roll-out von Smart Metern werden nun als eigene Projekte verkauft.

Nach Jahren der Netzblockade war die Erdverkabelung das letzte Projekt der CSU, an dem Söder bislang festgehalten hat – wenn auch mit Abschwächung. Die Einigung zeigt, dass sich Söder hier zum Glück nicht durchgesetzt hat.

 

Windenergie 

Hier wird es finster! Das 2-%-Flächenziel für die Windkraft wird infrage gestellt. Was für ein Wahnsinn! Insbesondere für Bayern wird das die Windenergie wieder massiv ausbremsen, da Bayern als einziges Bundesland das Flächenziel (1,8 %) bis 2032 noch nicht final festgelegt hat. Viele Planungsverbände wollen bereits jetzt mehr als 1,1 % ausweisen, haben aber noch keine Windenergieflächen ausgewiesen – und könnten auf Basis der Aufweichung des Ziels wieder Flächen im laufenden Verfahren reduzieren. Andere werden sich zurücklehnen und nichts machen.

Die Evaluierung schafft zudem Unsicherheit im Planungsprozess der Planungsverbände und kann somit Prozesse verzögern. Zudem sollen Netzengpassgebiete in Hinblick auf Windenergie geprüft werden. Dies könnte ein weiterer Hinderungsgrund sein und bringt zusätzliche Unsicherheit in den Planungsprozess.

Mehr als fatal wäre es, wenn das Referenzertragsmodell geändert würde. Im Vertrag steht, dass es auf Kosteneffizienz geprüft werden soll. Fällt dieser Ausgleich, der windschwächeren Standorten einen Zuschlag von 20–30 % garantiert, ist Schluss mit dem Ausbau der Windkraft in Bayern. So klar muss man das sagen. Und es wäre eine Steilvorlage für Strompreiszonen, die angeblich von der Union so abgelehnt werden. Söders 1.000 neue Windräder bis 2030 wären damit auch weg – aber dafür findet er bestimmt schnell wieder einen Schuldigen, nur nicht sich oder die CSU.

 

Kraftwerksstrategie 

Die Kraftwerksstrategie umfasst einen Zubau von 20 GW reinen Gaskraftwerken. Das entspricht ca. 40 neuen Gaskraftwerken. Die Ampel hatte noch mit der Hälfte geplant und wollte dabei mindestens 5 GW wasserstofffähige Kraftwerke.

Das ist vollkommen überdimensioniert. Union und SPD wollen günstige Energiepreise. Dabei scheinen sie die Energiekrise aufgrund der enormen Gasabhängigkeiten vollständig vergessen zu haben. Der enorme Zubau reiner Gaskraftwerke, gepaart mit der Einigung zum Erhalt der Gasnetzinfrastruktur, bedeutet einen Rückschritt hin zu teuren fossilen Abhängigkeiten.

Und dieser Satz offenbart die vollkommene Verkennung der Energiemarktsituation:
„Dazu sollen künftig Reservekraftwerke nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen.“
Die fossilen Kraftwerke gehen aus dem Markt, weil sie nicht mehr zu Marktpreisen produzieren können (siehe Kohlekraftwerk Zolling im Februar). Sonne und Wind verdrängen sie zunehmend und lassen weniger Nischen. Wie nun fossile Kraftwerke die Strompreise stabilisieren sollen, müssen Union und SPD erklären. Das Gegenteil ist der Fall – wie wir täglich an der Strombörse beobachten können: Viel erneuerbarer Strom im Netz bedeutet niedrige Preise, viel fossile Energie im Netz hohe Preise. Guten Morgen, Union + SPD.

 

Abscheidung von CO2 mittels CCU und CCS 

Die Union will CCS (Carbon Capture and Storage) auf den Weg bringen. Wir Grüne wollen es alleine auf schwer vermeidbare Emissionen beschränken. Die Union will das auch bei Gaskraftwerken anwenden. Das ist ein gefährliches Spiel, weil dadurch die fossile Infrastruktur künstlich am Leben gehalten wird – und der Umstieg auf Wasserstoff dann nicht mehr mit dem erforderlichen Nachdruck angegangen wird. Gaskraftwerke mit dreckigem Gas laufen lassen und danach CO₂ verpressen – das kann es nicht sein!

Ich verwette alles, dass Söder ein großer Fan dieser Technologie sein wird – aber sich ziemlich schnell sicher sein wird, dass Bayern ungeeignet ist für die unterirdische Einlagerung von CO₂.

 

Fazit:

Viele Worthülsen – wenig Konkretes. Union und SPD bedienen sich einiger Errungenschaften und Ideen der Ampel, die zuvor massiv kritisiert wurden. Bei den erneuerbaren Energien wird so getan, als wolle man sie weiter voranbringen – bei der Windkraft droht jedoch ein massiver Einbruch, wenn am 2-%-Flächenziel und/oder am Referenzertragsmodell gesägt wird. Insgesamt wird ein Rollback in die alte Energiewelt herbeigesehnt – und teilweise umgesetzt mit den geplanten 40 neuen Gaskraftwerken.

Erschreckend ist die Leerstelle im Wärme- und Gebäudebereich. Angesichts der Herausforderungen in diesem Sektor ist es zu wenig, nur anzukündigen, das alte Gesetz abzuschaffen – ohne klar zu sagen, was anders gemacht werden soll.

 

Und noch kurze Bewertung zum Bereich Umwelt und Natur und zum Bereich Asyl und Integration:

Schwarz-Rot kommt zwar an den Grünen-Meilensteinen der Ampel nicht vorbei: Das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz wird verstetigt, ein Sonderrahmenplan für Naturschutz und Klimaanpassung soll eingerichtet, ein Naturflächenbedarfsgesetz erarbeitet und die Wasserstrategie der alten Bundesregierung umgesetzt werden. Das war es aber schon. Beim Thema Flächennutzung ist der Vertrag maximal ambitionslos. Lediglich Mehrfachnutzungen werden angeschnitten.

Dramatisch ist, dass wichtige Errungenschaften aufgegeben werden:

  • Abschwächung der Wiederherstellungsverordnung der EU und der nationalen Biodiversitätsstrategie

  • Abschwächung der UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung)

  • Reduzierung des naturschutzrechtlichen Ausgleichs bei Klima- und Umweltschutzmaßnahmen

  • „Anpassung“ von Umwelt-Informationsgesetz und Umweltrechtsbehelfsgesetz

Fazit:Umweltrechte und Rechte der Zivilgesellschaft sollen massiv eingeschränkt werden – das alles unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus. Insgesamt läuft die Umweltpolitik wieder auf Symptombekämpfung statt Ursachenbekämpfung hinaus. Das entspricht der CSU-Politik in Bayern.

 

Asyl und Integration:

Das Kapitel Migration des Koalitionsvertrags wird eingeleitet mit dem Hinweis, dass Deutschland ein weltoffenes Land sei und es auch bleiben werde. Dies wird jedoch durch die anvisierten Maßnahmen konterkariert. Es wird im Bereich Flucht und Migration rigoros auf Verschärfungen gesetzt und Humanität über Bord geworfen.

Zur Erreichung der Merz’schen „Zeitenwende in der Migrationspolitik“ werden vor allem integrationspolitische und rechtsstaatlich gebotene Maßnahmen der Ampel zurückgenommen (z. B. Rechtsbeistand in der Abschiebehaft, Chancenaufenthaltsrecht oder Einbürgerung nach 3 Jahren).

Auch angesichts der laut EU-Asylagentur um 40 % zurückgegangenen Asylanträge in Deutschland soll ausdrücklich die „Migration“ begrenzt werden – ohne zu unterscheiden zwischen regulärer Migration (die wir dringend brauchen) und irregulärer. Es ist zu befürchten, dass die Begrenzung von Migration dazu führen wird, dass qualifizierte Fachkräfte abgeschreckt werden, nach Deutschland zu kommen.

Im humanitären Bereich sollen die bestehenden regulären Migrationswege beschnitten bzw. gestoppt werden. Ohne reguläre Wege ist davon auszugehen, dass beispielsweise Familien sich dann auf gefährliche Routen begeben müssen, um zu ihren Angehörigen zu kommen. Die CSU lobt sich selbst, wichtige und „harte“ Maßnahmen durchgesetzt zu haben. Jedoch kommt es nun auf die Umsetzung an. Die Auswirkungen der von der Ampel beschlossenen Grenzkontrollen und Kooperationen mit den EU-Partnern im Bereich Zurückweisungen zeigen sich erst jetzt durch den Rückgang der Asylanträge.

Darüber hinaus gehen die Zahlen der Asylanträge aus Syrien, Afghanistan und der Türkei zurück. Inwieweit tatsächlich die Zahl der Abschiebungen erhöht werden kann, hängt in erster Linie von der Bereitschaft der Herkunftsländer ab, ihre Staatsangehörigen bei abgelehnten Asylanträgen und Straftaten aufzunehmen.

Mehr als enttäuschend bleibt das Ausbleiben der Erkenntnis, dass Deutschland von Migration profitieren kann – wenn die Integration in Bildung und Arbeit gelingt. Hier werden keinerlei Maßnahmen vorgeschlagen.


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