Aktuelle Handelspolitik Deutschlands und der EU

"Freihandel zwischen Europa und Afrika ist wie ein Fußballspiel zwischen Real Madrid und der Schulmannschaft von Boli Bamboi."

Die Fluchtursachen werden durch anhaltende Exporte Deutschlands und der EU massiv verstärkt.

 

Markt in Tansania; Foto CC0 Public Domain ©rgort; pixabay.com

Die Präsidentschaft Donald Trumps in den USA hat die TTIP-Verhandlungen mit der EU vorerst gestoppt. Umso eifriger bemühen sich Deutschland und die EU-Kommission derzeit um Freihandelsabkommen (FHA) mit anderen Staaten. Hier ein kritischer Überblick:

JEFTA, das Abkommen der EU mit Japan: dieses soll 2019 in Kraft treten, die Verhandlungen wurden im Dezember 2017 abgeschlossen. In dem von Greenpeace Niederlande im Juni 2017 geleakten Vertragstext fällt v.a. negativ auf, dass Investoren bei JEFTA ihre Rechte vor undemokratischen Schiedsgerichten einklagen können, die sogar hinter den schwachen CETA-Standards zurückbleiben. Auch das für den Verbraucherschutz in der EU so wichtige Vorsorgeprinzip wurde ausgehöhlt.

FHA mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay: die Verhandlungen hierzu stehen kurz vor dem Abschluss. Die südamerikanischen Regierungen wollen v.a. höhere Exportquoten für Rindfleisch und weitere agro-industrielle Produkte, während die EU ihre Automobilexporte steigern und das Patentrecht für Medikamente verschärfen möchte. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament warnt: „Werden die Diskussionsvorlagen einmal Vertrag, dann heißt es freie Fahrt für Gentech-Soja und andere mit Pestiziden hoch belastete Rohstoffe, Agro-Treibstoffe aus zweifelhaften Quellen sowie Tonnagen von Hormon- und Gammelfleisch.“ (1)

Strategien und FHA mit afrikanischen Staaten:
In Bezug auf Afrika gab es in jüngster Zeit gleich mehrere europäische Initiativen:

  • So in 2017 den „Marshallplan mit Afrika“, vorgelegt vom deutschen BMZ im Kontext des G20-Treffens in Deutschland.
    Darin heißt es u.a.: „Es ist notwendig, die Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas neu zu gestalten.“ „Der Aufbau von Produktionsketten, faire Handelsbedingungen, Diversifizierung der Wirtschaft, gezielte Förderung der Landwirtschaft und die Stärkung des Zugangs zum EU-Binnenmarkt müsste umgesetzt werden.“ (2)

    Hehre Absichten, allerdings: in dem Plan für Afrika ist kein einziger Euro vorgesehen, auch findet sich kein Konzept für die Umsetzung der Ziele.

    Und: die in dem Papier genannten Leitlinien stehen in krassem Widerspruch zu allen aktuellen Abkommen der Länder des Nordens mit Afrika! So z.B. mit dem
     
  • Compact with Africa

    Dieser Plan, von den G20-Finanzministern zeitgleich mit dem Marshallplan im Frühjahr 2017 verkündet, will die Privatinvestitionen in Afrika forcieren. Diese sollen Entwicklung anschieben, nach dem bekannten Muster:

    Abbau von Schutzzöllen, Reduktion der öffentlichen Ausgaben, Liberalisierung der Finanzmärkte. Die bisher (Stand Ende 2017) am Compact beteiligten Länder – Senegal, Ruanda, Marokko u.a. – versprachen denn auch freien Zugang zu ihren Märkten und die Privatisierung von staatlichen Firmen und warben mit der Verfügbarkeit von billigen Arbeitskräften.

    Keine dieser Maßnahmen hat in den vergangenen Jahrzehnten die Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit in Afrika verbessert! Stattdessen stärkt diese Art der Beziehungen nur die Macht undemokratischer Regierungen und steigert die Gewinne von Investoren.
     
  • die EPA´s, „Economic Partnership Agreements“
    Dies sind von Europa unter Federführung Deutschlands ausgehandelte Freihandelsabkommen mit ausgewählten Staaten Afrikas. Ziel: „eine reibungslose Integration dieser Regionen in den Weltmarkt“.

Strategie: die afrikanischen Unterzeichnerstaaten müssen bis zu 80 Prozent ihres Marktes für Waren aus Europa öffnen. Gleichzeitig sind aber nur ca. 10 % der afrikanischen Waren international wettbewerbsfähig.

Problem: dieser angestrebte Freihandel wird nie ein Handel unter Gleichen sein. Der ghanaische Ökonom Kwabena Otoo hierzu in einem Interview mit der ZEIT: „Wir können mit den subventionierten Produkten einfach nicht mithalten. Freihandel zwischen Europa und Afrika, das ist wie ein Fußballspiel zwischen Real Madrid und der Schulmannschaft von Boli Bamboi.“ (3)

Um welche subventionierten Produkte aus Europa handelt es sich: Tomatenmark aus Italien, das die Tomatenbauern in Ghana zur Aufgabe zwingt; Billigmilchpulver aus der EU, das den Nomaden in Burkina Faso die Existenzgrundlage raubt; Hähnchenschenkel aus der EU, die den Markt v.a. in Westafrika überschwemmen und dank hoher EU-Ausfuhrprämien konkurrenzlos billig sind. Trotz jahrelanger Kritik an dieser Praxis haben sich die Exporte von Geflügelfleisch aus der EU nach Afrika zwischen 2009 und 2014 verdreifacht, von 200 000 auf fast 600 000 Tonnen. (4)  

Man weiß also aus der Vergangenheit um die ruinösen Folgen der bisherigen Handelspolitik und trotzdem verfolgt Europa mit den EPAs unbeirrt und jetzt sogar mit Nachdruck weiter diesen neoliberalen Weg.

Und die EU-Kommission schreckt dabei in den Verhandlungen auch nicht vor erpresserischen Methoden zurück. Sie droht den afrikanischen Handelspartnern mit der Streichung alter, vertraglich zugesicherter Handelspräferenzen, sollten sie den neuen, unfairen EPA-Verträgen nicht zustimmen. (5) 

Gerade mit Blick auf Afrika und die Flüchtlingsproblematik sollte uns Europäern klar sein, dass es nur eine gemeinsame Zukunft geben kann – mit demokratischen Regeln und einem fairen globalen Handel. So forderte auch der TTIP-Beirat der Bundesregierung im November 2017 ein „handelspolitisches Umsteuern“. Ziel der deutschen Politik sollte ein „fairer Welthandel“ sein, „der den Menschen dient und ihre Lebensbedingungen verbessert und nicht als Selbstzweck existiert“. (6) 

Es wird höchste Zeit, dass den Lippenbekenntnissen Taten folgen!

 

Zitate und Quellen:

(1) Zitat Martin Häusling in taz v. 28.02.2018, S. 8: „EU öffnet Türen für Hormonfleisch“. Siehe auch Martin Häusling: http://www.martin-haeusling.eu/themen/welthandel-und-welternaehrung.html

(2) medico international: Rundschreiben 04/17, S. 30: „Anne Jung: Marshallplan als Mogelpackung“.

(3) Die ZEIT, Nr. 51, 17.12.2015: Matthias Krupa, Caterina Lobenstein: Ein Mann pflückt gegen Europa.

(4) ZEIT-online: Billigfleisch für Afrika, 20.01.2015. Und: Asfa-Wossen Asserate: „Die neue Völkerwanderung. Propyläen-Verlag Berlin 2016, S. 169 ff.

(5)  Studie „Die EU-Handelspolitik und der globale Süden. EPAs, ASEAN und TISA: Anforderungen an eine handelspolitische Reform aus entwicklungspolitischer Perspektive“ Autor: Thomas Fritz, Berlin, November 2017. HerausgeberInnen: Forum Umwelt und Entwicklung, Stiftung Asienhaus, FDCL e.V., Attac Deutschland, PowerShift – Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- & Weltwirtschaft e. V., S. 4 f.

(6) taz v. 02.11.2017, S. 8: „Neue Haltung zum Handel gefordert“.

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