Zum Bericht über die Kabinettserklärung vom 17. Mai.
Meine Einschätzung dazu:
Windkraft
Angeblich seien in Bayern bald Platz für 800 Windkraftanlagen.
Wieviel Fläche ist vorhanden?
Vorranggebiete: 24.221, davon 14.800 ha frei.
Vorbehaltsgebiete: 12.279, davon 4000 ha frei.
Somit sind 51 % noch frei – allerdings war die Ausweisung meist auf Grundlage Abstand 500 m / 800 m zur Wohnbebauung. Bei 1000 m werden die freien Flächen deutlich zusammenschnurren.
Die Staatsregierung schätzt ab, dass auf 29 % der Vorrangflächen die 1000 m Abstand nicht eingehalten werden können. Somit reduziert sich die freie Fläche von 14.400 ha auf 10200 ha.
Verlustfaktor
Bei Windkraftplanungen gibt es einen relativ hohen „Verlustfaktor“. Laut einer detaillierten UBA-Studie sind das ca. 30 % - also nur 70 % der ausgewiesenen Flächen können tatsächlich genutzt werden (siehe Umweltbundesamt).
Ergo wären wir bei rund 7000 ha, auf denen tatsächlich Projekte umgesetzt werden könnten – das sind gut 0,1 % der Landesfläche. Eine moderne Windkraftanlage hat einen Platzbedarf von rund 30 ha. Dann wären wir bei rund 1200 MW bzw. 240 WEA der 5 MW-Klasse.
Vorbehaltsgebiete
In Vorranggebiete soll zukünftig 1000 m gelten. Inwieweit dies tatsächlich auch bei Vorbehaltsgebieten gilt, ist fraglich. Im CSU Fraktionsbeschluß vom 27.4. waren ausdrücklich nur Vorrangflächen genannt (Vorbehaltsflächen aus erster Version bewusst durchgestrichen). Seitdem unterschiedliche Aussagen. Wenn, wie vorgesehen, die 1000 m Regelung nur bei Vorranggebieten zählen soll, werden die freien Vorbehaltsflächen weitgehend ungenutzt bleiben. Nach Hochrechnung würden auch hier rund 1/3 der Fläche das 1000 m Kriterium nicht erfüllen. Durch Verlustfaktor fehlt ein weiteres Drittel. Es würden noch rund 60 Anlagen der 5 MW Klasse Platz finden.
Unverbindlicher Auftrag an regionale Planungsverbände:
Keine Verpflichtung an die regionalen Planungsverbände auf Ausweisung - es heisst nur „Größenordnung von 2 % Landesfläche wird angestrebt“. Es ist aber ein klarer Auftrag an die RPV auf Ausweisung von 2 % innerhalb höchstens 2 Jahren nötig. Das ist die zentrale Grundlage für einen kräftigen Ausbau. Das fehlt! So wird eine Vervierfachung der Windkraft bis 2030 niemals erreicht!
0,7 % der Landesfläche ist eine falsche Aussage
Im eigenen Bericht der Staatsregierung an die Länder vom Oktober 2021 werden die Flächen aus der Regionalplanung (Vorrang+Vorbehaltsgebiete = 0,51 %) und den Flächennutzungsplänen/ B-Plänen (=0,2 %) nicht summiert, da sie sich oft überschneiden. Wie genau die Überscheidung ist, ist nicht bekannt, wie die Staatsregierung in ihrem Bericht mehrfach betont. Es wurden unter 10H kaum Flächen ausgewiesen – in diesen Fällen wäre ein B-Plan und eine Ausweisung im Regionalplan aber zwingend nötig gewesen (ausser bei Einzelanlagen). Söder und Aiwanger addieren sie in ihren Presseaussagen und im Bericht trotzdem fälschlicherweise zu den 0,7 %!
Es dürfen nur Flächen ohne 10H-Bindung gerechnet werden, da 10H eine Bebauung praktisch unmöglich macht. Die geeignete Gesamtfläche der bestehenden Windkraftvorrangflächen nach derzeitiger 10 H Änderungsplänen beträgt 0,41 % der Landesfläche.
Truppenübungsplätze: alle Truppenübungsplätze in Bayern sind Vogelschutzgebiete: Hohenfels, Grafenwöhr, Hammelburg und Wildflecken (Bestandteil Hohe Rhön). In wenigen Fällen könnten hier und da ein paar Windanlagen gebaut werden. Aber insgesamt kaum möglich.
Weitere Detailfragen – Waldfläche, 1000 m-Abstand- Bezugspunkt, Repowering
Die Staatsregierung hat angekündigt auf Basis des Kabinettsentscheidung einen Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung zu erarbeiten. Bisher ist vieles nicht bekannt.
Waldfläche: Ob und mit welcher Begründung rechtssicher die Vorgaben der 10H-Regelung in Abhängigkeit von der Nutzung (Ackerfläche – Waldfläche) gelockert werden können, ist fraglich. Sinnvoll ist es in keinem Fall – in vielen Fällen wird es gleichwertige Standorte auf dem Acker vor dem Wald geben. Mit dieser Regelung werden aber Windkraftanalgen oft unnötig in den Wald geschoben und eine gewisse Rodung ist nötig. Blödsinnige pauschale Abstandsregel!
Was ist der Bezugspunkt der 1000 m Regel? Jeder Immissionsort, jedes Wohnhaus oder nur Gebiete mit festgesetzten Bebauungsplänen? Alles noch nicht geklärt!
Autobahn-Regelung
Wir breit wird der Korridor entlang Autobahnen und Schienenstrecken? Ein Abstand ist notwendig und in den 18 regionalen Planungsverbänden unterschiedlich festgelegt. RPV Westmittelfranken sind es z.B. 300 m zur Autobahn und 150 m zu sonstigen Straßen und Schienenwegen. Sind diese Vorgaben alle zu ändern? Was bei PV Sinn macht, ist bei Windkraft wenig sinnvoll. Die Regionalplanung versucht mehrere Anlagen an geeigneten Standorten zu konzentrieren – eine Aufreihung entlang Straßen ist aus planerischer Sicht wenig sinnvoll. Meine Nachfrage im Plenum an den CSU Kollegen Mittag, wie breit Korridor nun werden solle, blieb unbeantwortet – wissen sie noch nicht. Ein Witz!
Potenzial Repowering: eine Vielzahl der alten Windkraftanlagen, die sich zum Repowern anbieten, wurden verhältnismässig nahe an der Wohnbebauung installiert. Bis 2025 fallen 225 Anlagen aus dem EEG (Auskunft Staatsregierung SAN Stümpfig 2020). Wieviele dieser Anlagen am Standort repowert werden können, ist nicht bekannt.
Fazit:
- In bestehende Vorrangflächen können nur ca. 200-260 Anlagen gebaut werden.
- Die 1000 m-Regelung in Vorranggebieten begrenzt die Größe der bereits ausgewiesenen Flächen enorm. Ihr Potenzial ist weitaus geringer und eine volle Anrechnung auf die 2 % nicht angebracht.
- Bei Vorbehaltsflächen soll weiter 10H gelten. Dann wären die freien 4000 ha komplett unbrauchbar.
- Eine 2 % Flächenausweisung durch die regionalen Planungsverbände wird nicht verbindlich angestrebt.
- Bayern hat 0,51 % an Flächen bisher ausgewiesen. Bei den im Energieplan genannten 0,7 % handelt es sich um eine Addition, welche im Länderbericht der Staatsregierung explizit ausgeschlossen wurde.
- Die vier Truppenübungsplätze in Bayern sind allesamt Vogelschutzgebiete.
- Details zu einzelnen Punkten (Immissionsorten, Autobahn-Regelung, Repowering, juristische Begründung für Wald) bisher nicht bekannt. Diese sind letztendlich aber sehr entscheidend bei Erfolgchancen.
- Es wird ein Bürokratiemonster geschaffen, welches sicher nicht zum Ausbau der Windkraft beiträgt.
- Die Lockerung bei 10H und die Vorgaben für die Planung sind schwammig unkonkret und sinnlos. Bayern wird so seinen Anteil am Ausbau der Windkraft gemäß seiner Fläche niemals beisteuern.
→ Meine Rede im Plenum des Landtags aus YouTube