Helfer*innen aus meinem Stimmkreis baten mich im Fall eines hier lebenden irakischen Staatsangehörigen um Hilfe.
Der junge Mann war vor vielen Jahren schwer erkrankt. Da die Krankheit lange Zeit unbehandelt blieb, hatte sie schwerwiegende und bleibende Folgen – sie führte zu einer geistigen Behinderung. Der irakische Behinderten-Ausweis bestätigt einen Behinderungsgrad von 65 %. Vor zwei Jahren ist der junge Iraker in Deutschland angekommen, wo er sich in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Nordbayern in Zirndorf gemeldet und einen Antrag auf Asyl gestellt hat. Obwohl er auf Rat seiner Ärzt*innen nicht allein wohnen sollte, lebte er für einige Wochen dort und wurde anschließend für etwa weitere 3 Monate allein in eine andere Erstaufnahmeeinrichtung in Regensburg geschickt. Danach durfte er zu seiner Familie (Eltern und Geschwister) in meinem Stimmkreis ziehen.
Hier besuchte er die Integrationsklasse in einem BFZ (Berufliches Fortbildungszentrum). Nach Auskunft seiner Lehrkräfte war er trotz seiner geistigen Behinderung sehr engagiert, die deutsche Sprache zu lernen und sich zu integrieren. Die Familie setzte sich für die Anerkennung seiner Behinderung ein und beantragte einen deutschen Behinderten-Ausweis. Eine zuständige Sozialpädagogin bestätigte seine geistige Behinderung in einem Gutachten. Bis jetzt ist der deutsche Behindertenausweis nicht bei der Familie angekommen.
Am 30.06.2023 um 4:30 Uhr am Morgen klingelte es an der Tür der Familie. Drei Polizeibeamte forderten den jungen Mann auf, mit ihnen zu kommen. Auf Nachfrage gaben die Beamt*innen an, sie seien beauftragt worden, den Iraker zurück zu der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf zu bringen. Die Eltern baten, ihren Sohn begleiten zu dürfen, was abgelehnt wurde. Die Familie blieb in Angst und Panik zurück. Nach einigen Stunden bekamen die Eltern eine Nachricht, dass ihr Sohn auf dem Weg zum Flughafen sei. Um ihn davon zu überzeugen, in das Flugzeug zu steigen, behaupteten die Polizisten, wenn er im Irak ankomme, müsse er nur ein bis zwei Formulare ausfüllen und könne am nächsten Tag wieder zurück nach Deutschland fliegen. Mit diesen Worten schickten sie ihn unbegleitet auf eine zwölfstündige Flugreise über Katar nach Bagdad. Seitdem lebt er allein in einem Zelt in einem Flüchtlingslager. Seine Duldung galt sogar bis 12.07.23.
Durch die Barrieren seiner geistigen Behinderung und bei der ohnehin sehr hohen Arbeitslosigkeit im Irak scheint es unmöglich, dass er eine Arbeitsstelle findet, die es ihm finanziell erlaubt sich ein Leben im Irak aufzubauen. Gleichzeitig sind die erforderliche Unterstützung und der notwendige Beistand im Alltag dort nicht gewährleistet, weil keine engen Familienmitglieder in seiner Nähe sind. Seine Eltern und Geschwister leben mit einer dauerhaften Niederlassungserlaubnis und anerkanntem Flüchtlingsschutz in Deutschland. Seine älteren Geschwister haben ihre Berufsausbildung bereits erfolgreich abgeschlossen, seine jüngeren Geschwister machen gerade einen deutschen Schulabschluss. Die Familie ist gut integriert. Die Ablehnung des Asylantrags und die überraschende Abschiebung sind aus menschenrechtlicher Perspektive unvertretbar.
Ich habe mich hier beim Innenminister Herrmann dafür eingesetzt, dass dieser junge Mann schnell wieder zurück zu seiner Familie kann. Inzwischen habe ich eine Antwort erhalten – in vielerlei Hinsicht wird der Darstellung der Familie widersprochen, aber einer der Hauptgründe für ein fehlendes Abschiebungshindernis sei, dass noch keine ärztlichen Atteste gem. § 60a Abs. 2c AufenthG vorgelegt wurden. Außerdem treffe nicht zu, dass Abschiebungen in den Irak außer für schwere Straftäter und Gefährder unzulässig seien. Einschränkungen hinsichtlich Rückführungen in den Irak bestünden zuletzt lediglich aufgrund von Vorgaben des Herkunftslandes, d. h. insofern Einschränkungen bestanden, seien diese nicht durch deutsche Behörden vorgegeben worden. Rückführungen in den Irak erfolgten grundsätzlich in Absprache mit den irakischen Behörden. Aktuell bestünden von irakischer Seite keine Beschränkungen mehr, wonach nur Personen, die strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, in den Irak zurückgeführt werden dürften. Für mich hört sich das sehr konstruiert an.
Die Helfer*innen fordern derzeit eine Prüfung auf Verstoß gegen § 60 Abs 5 AufenthG. Es sieht aber momentan leider so aus, dass den jungen Mann eine Einreisesperre von 30 Monaten trifft. Ich halte Sie auf dem Laufenden.