Nico Paech und die Postwachstumsökonomie

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Niko_Paech in Ansbach

Von Erich Fromm über Karl Marx bis Alain Ehrenberg ging der Vortrag von dem Volkswissenschaftler Nico Paech. Von der Postwachstumsökonomik über Peak Everything bis zur integralen Energiewende. Eine Zusammenfassung des 90-minütigen Vortrages ist kaum möglich – so voll war er mit Fakten, Studien, Querverweisen, Visionen und klaren Ideen.

Die über 100 Besucher im Feuerbachhaus erlebten einen Vortragenden, der seine Idee lebt, der überzeugt ist und deshalb überzeugen kann.

Nico Paech teilt die Postwachstumökonomik in drei Teile ein: Wachstumsgrenzen, Wachstumszwänge und Postwachstumsökonomie.

Die Wachstumsgrenzen teilen sich dabei folgendermaßen auf: Ökologische Grenzen, Peak Everything, Verteilung/Resilienz, Psychische Grenzen, Finanzkrise und Kulturzerstörung.

Die ökologischen Grenzen unseres Planeten haben wir bereits überschritten. Unsere heutige Lebensweise ist extrem abhängig vom Schmiermittel Rohöl. Ohne Rohöl gibt es keine Fortbewegung, keine Produktion, keine Konsumgüter. Die komplette Produktionskette bricht zusammen, zieht man Rohöl heraus. Wir haben nicht nur einen Peak Oil – wir haben einen Peak Gas, Peak Flächenverbrauch, Peak Metalle, Peak Seltene Erden...

Der Fracking Boom in den USA ist in sich zusammengebrochen. Am 1.1.2015 waren noch 1600 Vorhaben aktiv, ein Jahr später nur noch 1/3 davon. Aber der Rohölpreis wird wieder steigen – stärker als wir es bisher erlebt haben.

Wir betreiben auch eine Kulturzerstörung – mit Reisen in andere Länder, deren Wohlstand geringer ist, demütigen wir diese Kulturen. Wir führen einen perversen Wohlstand vor und locken sie auf diesen falschen Weg.

Wachstumzwang

Die Produktivität der Herstellung hat in vier Schritten zugenommen. Von der Dampfmaschine über die Etablierung der Fließbandarbeit zu einer verstärkten Mechanisierung bis zur jetzigen Industrie 4.0. Immer weniger Arbeitskraft wird benötigt, um immer mehr zu erzeugen. Ohne Arbeitsplatzabbau funktioniert dieses System aber nur, wenn die Wirtschaft ständig weiter wächst. Mit Industrie 4.0 potenziert sich das Ganze. Wir werden komplett menschenleere Fabrikhallen in naher Zukunft vorfinden. Das Wachstum, das nötig wäre um dann immer noch alle Menschen zu beschäftigen, müsste enorm sein.

Seine Lösung:

Schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit von einer 40-Stundenwoche auf die 20-Stundenwoche. Nutzung der neuen Freizeit für Selbstversorgung, Reparaturen, Tausch, Eigenproduktion. Suffizienz ist ein Stichwort. Weniger Konsum heißt dabei aber nicht Verzicht. Es ist ein bewusster Konsum, der auch mehr Genuss erlaubt.

Wichtig ist ihm als Volkswirtschaftler: Wir müssen die Vollbeschäftigung halten – denn Arbeit ist auch Menschenwürde. Also 20 Stunden Arbeit und die restliche Zeit dient zur Sicherstellung der Bereuung von Kindern und der älteren Generation – und zur Deckung der basalen Grundbedürfnisse.

Klimawandel und Pro Kopf Emissionen an CO2

Heute haben wir in Deutschland pro Kopf Emissionen von 11,7 Tonnen CO2. Dabei ist noch nicht die Produktion vieler Verbrauchsgüter aus Fernost eingerechnet. Um das 2°-Ziel zu erreichen, ist die Reduktion auf 2,7 Tonnen pro Kopf nötig (bei der derzeitigen Weltbevölkerung von 7 Milliarden Menschen).

Diese enorme Reduktion verlangt mehr als die Umstellung von Kohlestrom auf Windstrom. Heute hat die Windkraft nur einen Anteil von 2,4 % am Endenergieverbrauch von Deutschland. PV nur 1 %. Wir brauchen aber keine „homöopathische Dosen“, sondern eine echte und umfassende Energiewende. Er nennt sie „integrierte Energiewende“. Sein Konzept: Energiesparen, Energiesparen, Energiesparen und den Rest mit Erneuerbaren Energien abdecken.

Der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes zeigt jedem Einzelnen deutlich, wo er liegt und wo die größten Stellschrauben liegen. Ein 80 jähriger Mensch kann jährlich 2,7 Tonnen CO2 emittieren. Sein Lebenszeit Budget beträgt dann rund 260 Tonnen. Ein einziger Flug in die USA emittiere 4 Tonnen (somit ist Jahresbudget schon überschritten), ein Flug nach Neuseeland sogar 14 Tonnen CO2. Der Flugsimulator der ETH Zürich zeigt deutlich, welche enormen Flugbewegungen täglich stattfinden.

Deshalb seine klare Aussage: „Nachhaltig leben heißt sesshaft leben“.

Diese Begrenzung des eigenen Verbrauchs, muss von den Individuen selbst umgesetzt werden. Die Politik muss Rahmenbedingungen setzen – von ihr wird aber, nach seiner Meinung, nicht der entscheidende Impuls ausgehen. Letztendlich werden uns die Krisen, in die wir zwangsweise immer stärker verwickelt werden, die Wende zur Postwachstumsökonomie aufzwingen.

Wenn wir heute „üben“, wenn wir heute bereits Vorreiter haben, eine Avantgarde, die diesen nachhaltigen Lebensstil umsetzt, dann wird der Übergang leichter erfolgen. Die breite Masse ist ihm zunächst ganz egal. „Ich will Sie überzeugen, wendet Paech sich ans Publikum. Hier kann der Wandel beginnen.

Leiden wird ein Wirtschaftszweig ganz besonders: Die Hersteller von Psychopharmaka, deren Absatz seit dem Jahr 2000 sich verdreifachte. Hierzu empfiehlt er das Buch von Alain Ehrenberg „Das erschöpfte Selbst“.

Ziel ist eine urbane Subsistenzwirtschaft. In Städten funktioniert das besonders gut. Hamburg kann sich aus einem Umkreis von 100 km komplett selbst versorgen. Es wird mehr Reperaturunternehmen geben, die Möbel, Textilien, technische Geräte wieder instand setzen. Es wird mehr geteilt. Der Rasenmäher des Nachbarn wird genutzt.

Meine persönliche Bilanz

Nico Paech zeigt auf, dass unsere Wirtschaftsweise nicht zukunftsfähig ist. Wir müssen neue Wege gehen. Die Kehrtwende wird radikal werden müssen. Da bin ich mir persönlich sicher. Die Frage wird sein, wie diese Wende durch die Politik eingeleitet werden kann. Eine Abkehr vom bisherigen Lebensstil ist äußerst unpopulär. Politiker*innen, die diesen Weg propagieren, werden kaum gewählt werden.

Bei der Lösung, wie wir unsere Gesellschaft auf diesen Weg führen können und wie wir diesen Prozess einleiten können, bleibt Paech vage. Aber der Anspruch auf Vorlage eines widerspruchsfreien, ausgearbeiteten Wegs geht auch zu weit.

Ich war begeistert von seinem Vortrag. Er hat mich persönlich weiter gebracht und Mut gemacht.

Jetzt ist es an uns diese Wende Stück für Stück im Kleinen wie im Großen einzuleiten. 

(Der Vortrag von Nico Paech war im Ansbacher Feuerbachhaus am 17.2.2017)


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