Neues Chancen-Aufenthaltsgesetz - rechtliche Lage

Das neue Chancen-Aufenthaltsrecht beinhaltet einen Paradigmenwechsel, für den gerade wir Grüne lange gekämpft haben. Die Rechtsanwältin Frau Giannina Mangold informierte sehr kompetent und beantwortete viele Fragen.

Die Rechtsanwältin Giannina Mangold informierte kompetent zum neuen Chancenaufenthaltsgesetz. Im Bild mit MdL Martin Stümpfig. ©Foto: Oliver Rühl

Erstmals haben wir eine Veranstaltung direkt bei YouTube gestreamt, dass Ergebnis ist hier nachzuverfolgen: youtu.be/0YpEHS9sNi8

Inhaltlich ging es folgende Punkte: 

Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht setzt die Ampelregierung das erste zentrale flüchtlingspolitische Vorhaben des Koalitionsvertrags um. Für diesen Paradigmenwechsel haben gerade wir Grüne lange gekämpft. Mehr als 137.000 Menschen können vom kommenden Jahr an aus dem System der entwürdigenden Kettenduldungen geholt werden und endlich eine Perspektive bekommen. 
 
Frau Mangold ging zunächst auf das neue Chancenaufenthaltsrecht, geregelt im neuen § 104c AufenthG, ein.
Alle, die hier zum 31.10.2022 
- seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit Aufenthaltstitel leben, 
- sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen,
- keine über ein bestimmtes Maß hinaus gehenden Straftaten begangen haben und
- nicht durch wiederholte Täuschung über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit die Abschiebung verhindern,
 
bekommen eine Aufenthaltserlaubnis zunächst für 18 Monate, um die üblichen Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht nach dem Aufenthaltsgesetz zu erfüllen (nach § 25a und § 25b). Ihre Familie erhält das Aufenthaltsrecht auch dann, wenn sie noch nicht 5 Jahre zum Stichtag in Deutschland sind.
 
Wichtig ist, dass der Stichtag 31.10.22 fix ist. Wer sich zu dem Zeitpunkt 5 Jahre in Deutschland aufhielt und einen geduldeten Aufenthalt hat (wenn auch nur für kürzeren Zeitraum) kann diese Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht nach dem Aufenthaltsgesetz nutzen und ab dem 1.1.23 einen Antrag stellen. 
 
Wichtig ist weiter, so Mangold, dass es für die erforderliche Duldung nicht auf irgendein Papier ankomme, auf dem Duldung stehe, sondern dass tatsächlich ein Duldungsgrund vorliege. Hierüber werde in Zukunft sicher sehr gestritten werden – gerade mit unseren bayrischen Behörden. Zu beachten ist, dass die gewährten 18 Monate nicht verlängert werden können!
 
Straftäter sind ausgeschlossen, wenn sie rechtskräftig zu mehr als 50 Tagessätzen Geldstrafe oder 90 Tagessätzen bei Straftaten mit ausländerrechtlichem Bezug verurteilt wurden. Auch eine Identitätstäuschung kann ein Ausschlussgrund sein, wenn die Täuschung kausal dafür ist, dass nicht abgeschoben werden kann. Bei ungeklärter Identität werden auch die Zeiten der Duldung angerechnet. Und auch hier lebende Ehegatten, Lebenspartner*innen, Kinder bekommen zukünftig den Aufenthaltstitel, auch wenn sie noch nicht 5 Jahre in Deutschland sind. Insgesamt also sehr positive Auswirkungen. 
 
Frau Mangold beleuchtete aber auch Probleme - seit Sommer wurden von bayr. Behörden kaum noch Duldungen ausgestellt, sondern häufig nur noch Grenzübertrittsbescheinigungen (GÜB). Die sind nichts wert! Die Behörden haben im Vorgriff auf das Chancengesetz absichtlich keine Duldungen mehr ausgesprochen. Das ist Schikane. Hier müsse auf Ausstellung einer Duldunggedrängt werden, notfalls mit Klage.
 
Die wichtigsten Änderungen in § 25a AufenthG betreffen die Verkürzung der bisherigen Voraufenthaltszeit von vier auf drei Jahre für gut integrierte Jugendliche, die zukünftig bis zum 27. Lebensjahr angewendet wird. Eine Ausnahmeregelung greift für Jugendliche oder junge Erwachsene, die aufgrund einer Einschränkung die schulischen Erfolge nicht erbringen können und Erwachsene erhalten statt bisher bei acht Jahren nun bei sechs Jahren, Familien bei vier Jahren, das Bleiberecht für so genannte „gut Integrierte“. 
 
Anwendungshinweise für die Neuerung gibt es noch nicht, die Behandlung durch die zuständigen Ausländerbehörden muss abgewartet werden. Frau Mangold wies auch noch auf ein Schreiben des Innenministeriums vom 05.12.22 hin:  Personen, die von neuer Regelung profitieren, sollen genau betrachtet werden. In diesem Zusammenhang empfahl die Rechtsanwältin, gegebenenfalls eine Verfahrensduldung zu beantragen, dann anschließend zeitnah im neuen Jahr den Antrag auf Chancenaufenthaltstitel zu stellen – in jedem Fall schriftlich, per Fax usw., um einen Nachweis zu haben. 
 
Details zu den komplexen Inhalten werden im Video erläutert. 
 
Am Dienstag Nachmittag hatte ich mit meinen mittelfränkischen Landtagskolleginnen auch einen Termin bei der neuen Regierungspräsidentin von Mittelfranken, Frau Engelhardt-Blum. Uns wurde erläutert, dass sich die Abschiebepraxis geändert hat: Nur Fälle, in denen offenkundig die zukünftige Erteilung eines Chancenaufenthaltsrechts nicht in Betracht kommt, sollen noch in den Fokus von Rückführungen kommen. Das ist erstmal eine deutliche Verbesserung. 
 
Insgesamt ein sehr interessanter Abend und für viele – ich denke z.B. an unsere jungen Männer in Feuchtwangen aus Äthiopien – eine echte Chance. Die allermeisten werden die Chance nutzen können und endlich die jahrelange Ungewissheit gegen ein Bleiberecht tauschen können. Für sie, für unsere vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und für viele Firmen, die um ihre Mitarbeiterinnen bangen mussten eine sehr gute Botschaft und ein hoffungsvoller Ausblick auf das Jahr 2023.


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