Meine Einschätzung zum Koalitionsvertrag

"Mehr Fortschritt wagen": Im Ampel-Koalitionsvertrag ist vieles enthalten, auf das wir lange gewartet haben. Insgesamt ist es ein echter Wandel. Jetzt gilt es das mit Leben zu füllen und schnell in die Umsetzung zu kommen.

Die Ampel steht ©Bild: pixabay.com
Was ist enthalten im neuen Koalitionsvertrag zu den Themen Klimaschutz und Energie?

Meine Einschätzung zum Koalitionsvertrag ist positiv. 

80 % Erneuerbare Energien sollen bis 2030 im Strombereich erreicht werden. Das bedeutet bei einem angenommenen Strombedarf von 680 – 750 TWh einen angestrebten Stromertrag durch Erneuerbare von 600 TWh. Heute haben wir rund 250 TWh. Die gute Verdopplung wird sich in allererster Linie auf Sonne und Wind stützen. Die Ausbauziele Solar betragen 200 GW bis 2030 (=200 TWh) und 30 GW  bei Wind Offshore (=90 TWh). Für Windkraft Onshore sind keine Zahlen genannt. Dafür aber eine klare Zielsetzung bei den Flächen: 2 % sollen als Vorrangflächen ausgewiesen werden. 

Die klare Botschaft, dass alle Hemmnisse und Hürden bei den Erneuerbaren beseitigt werden sollen, ist top. Die GROKO hat die Bürgerenergie mit einem Berg an Bürokratieauflagen ausgebremst. Konkrete Verbesserungen bei Netzanschlüssen und Zertifizierungen sind jetzt genannt. Innovationen sollen zum Durchbrauch verholfen werden, so z.B. den Antikollissionssystemen bei Windkraftanlagen. 

Die Bürgerenergie soll gestärkt werden. Zum einen soll die De-Minimis-Regel ausgeschöpft werden. Das war lange unsere Forderung. Damit können bis zu 3 Windkraftanlagen auch ausserhalb der Ausschreibungen geplant und gebaut werden. Zum zweiten werden Planungen und Investitionen verlässlicher, da der Erzeugung Erneuerbarer Energien ein Vorrang eingeräumt werden soll. Und zum dritten soll das europarechtlich Mögliche genutzt werden, wie z.B. das Energy Sharing. 

Folgender Satz ist für Bayern sehr wichtig: „Wir werden sicherstellen, dass auch in weniger windhöffigen Regionen der Windenergieausbau deutlich vorankommt, damit in ganz Deutschland auch verbrauchsnah Onshore-Windenergie zur Verfügung steht (und Netzengpässe vermieden werden).“ Das ist eine klare Ansage und bedeutet, dass die 10H-Regel, welche in den letzten 7 Jahren die Windkraft in Bayern komplett blockiert hat, so nicht fortbestehen wird. 

Fazit Erneuerbare: Der Dreiklang aus mehr Fläche, weniger Rechtsstreit und mehr Bürgerenergie kann zum Selbstläufer werden und bei entsprechender technologischer Entwicklung auch 100% EE bis 2030 bedeuten. Die Akzeptanz steht und fällt mit einer ordentlichen Landes- und Regionalplanung, für die die Söder-Regierung Verantwortung trägt. Hinter 10H verstecken geht nicht mehr.  

Zum Kohleausstieg steht zwar das Wort „idealerweise“ bis 2030 im Vertrag. Das ist erstmal enttäuschend. Durch die Festlegung auf einen CO2-Mindestpreis von 60 Euro ist aber sichergestellt, dass Kohle Stück für Stück aus dem Markt gedrängt wird. Wir müssen es nun einfach schaffen saubere Technologien ins Netz zu bekommen – dann wird die Kohle verdrängt - und kann de facto sogar zu einem schnelleren Kohleausstieg führen. Ich habe auch die Überzeugung, dass es nicht entscheidend ist, ob an einem grauen Novembertag noch ein Kohlekraftwerk die Spitzenabdeckung macht. Wichtig ist, dass die riesigen CO2-Mengen durch den Dauerbetrieb dieser Dreckschleudern so schnell wie möglich Geschichte sind.  


Im Gebäudebereich konnte sich die Ampel auf einen guten Standard für Neubau (KfW 40 ab 2025) einigen. Ein wirklicher Meilenstein ist das Ziel 50 % Erneuerbare im Wärmebereich bis 2030 (heute sind wir in Bayern bei etwas mehr als 20 %). Der Einstieg in eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze ist enorm wichtig. Für die Sanierung des Bestandes hätte ich mir einen verbindlichen Stufenplan gewünscht. Hier ist wenig enthalten. Beim Austausch alter Heizungen soll ab. 1.1.2025 die neue Heizung auf Basis von 65 % Erneuerbare Energien betrieben werden. Es war wohl keine klare Sprache möglich: aber das ist das Aus für fossile Heizungen ab 2025. Und das ist auch dringend nötig. 
Für Bayern heißt das: Wir brauchen umgehend eine Klima-Offensive für Planungsbüros, Genehmigungsbehörden, der Architektur und im Handwerk für größere Kapazitäten und aktuelles Know-how über die neuesten Klimatechnologien am Bau. Außerdem benötigen wir ein flächendeckendes Netz an Energieagenturen, damit die Menschen vor Ort ein gutes Informationsangebot zur Erfüllung der neuen Pflichten erhalten.  
Während das Wort Wärme im neuen Klimaschutzgesetz der Söder-Regierung nicht einmal auftaucht, läutet die Ampel das Ende von Öl und Gas im Heizungskeller ein. Und das mit einer starken sozialen Komponente. Was sauber ist, wird billiger, was schmutzig ist, teurer. Die Einführung des Klimageldes, ein neues Wohngeld mit Klimakomponente und ein einmaliger Heizkostenzuschuss unterstützt gezielt die Menschen mit wenig Einkommen. Gleichwohl müssen wir nach (technischen) Lösungen für den ländlichen Raum suchen und Gebäudeeigentümer*innen möglichst umfassend informieren, um ihnen die Angst vor einer kalten Bude zu nehmen, wenn Öl und Gas nicht mehr in dem Umfang erlaubt ist. 

Im Bereich Mobilität freue ich mich, dass nun endlich der Vorrang Schiene vor Straße festgeschrieben ist. Viele Punkte sind sehr gut und wichtig. Insgesamt ist der Bereich aber enttäuschend für mich. Der Mut zur Abschaffung der Pendlerpauschale und für ein Tempolimit hat gefehlt. 

Dafür ist der Bereich Landwirtschaft und Ernährung, der in Bayern 25 % der THG-Emissionen ausmacht, richtig gut. Eine verbildliche Tierhaltungskennzeichnung wird endlich eingeführt. Es wird eine Herkunftskennzeichnung geben. Tierbestände sollen sich an der Fläche orientieren. Ammoniak und Methanemissionen umfassend reduziert werden. Und über den Klimaschutz hinaus gibt es einfach viel mehr Tierschutz. 

Und auch in anderen Bereichen gibt es einen echten Paradigmenwechsel. Ich möchte hier nur auf die Stellungnahme von matteo verweisen. Endlich ist die menschenverachtende Asylpolitik der Union zu Ende. Sehr lesenswerter Artikel von Stephan Reichel. 

Also insgesamt gebe ich dem Koalitionsvertrag die Note 2. Natürlich hätte ich mir noch einiges mehr gewünscht. Wir müssen einfach daran arbeiten, dass wir das nächste Mal weit mehr erreichen als 14 %. 

Jetzt gilt es die guten Inhalte mit Leben zu füllen und schnell in die Umsetzung zu kommen (hier Koalitionsvertrag einsehen).
 

→ Interessant die Vorträge im Rahmen der Online-Seminarreihe „Green Deal erklärt“ der Stiftung Umweltenergierecht

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