Lieferkettengesetz - ein erster Schritt zu verantwortungsvollem Wirtschaften

Endlich wurde ein Lieferkettengesetz verabschiedet, das Unternehmen zu Risikoanalysen für Menschenrechte und Umwelt verpflichtet. Es hat erhebliche Schwächen und muss nachgebessert werden. Aber ein Anfang ist gemacht.

Näherinnen in Bangladesch ©Foto: Maru_Rahmann; pixabay.com

Die GroKo hat nach zähem Ringen endlich ein Lieferkettengesetz („Gesetz über die unternehmerische Sorgfalt in Lieferketten“) beschlossen. Dafür haben wir Grüne und auch die Zivilgesellschaft (NGOs, Kirchen, Gewerkschaften, etc.) jahrelang gekämpft. Deshalb haben die Grünen im Bundestag dem Gesetz zugestimmt. Gleichwohl kann dieses Lieferkettengesetz nur ein erster Schritt sein, weitere müssen folgen. Mit konkreten Änderungsanträgen haben sie im Bundestag die entscheidenden Schwachstellen aufgezeigt.

Risikoanalysen

Das Gesetz verpflichtet Unternehmen erstmals zu Risikoanalysen für Menschenrechte und Umwelt. Sollte es eine Pflichtverletzung geben, müssen sie für Abhilfe sorgen. Zudem müssen sie einen Beschwerdemechanismus einrichten und transparent und öffentlich berichten. Allerdings gilt das Gesetz nur für die erste Zulieferstufe (“unmittelbare Zulieferer“) und nur in Ausnahmefällen für „mittelbare Zulieferer“. Erst wenn ein Unternehmen direkt Kenntnis von einem Verstoß eines mittelbaren Zulieferers erlangt, muss es eine Risikoanalyse durchführen und angemessene Präventionsmaßnahmen verankern. Das Gesetz hat so keine präventive Wirkung, die Unternehmen müssen nicht von sich aus ihre mittelbaren Zulieferfirmen kontrollieren. Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden, die in Produktionsstätten wie Minen, Textilfabriken und auf den Plantagen in Form von Kinder- und Zwangsarbeit oder giftigen Pestizideinsätzen und damit am Anfang der Lieferkette geschehen, werden durch das Gesetz weiterhin nicht adressiert.

Nur schwer einklagbar

Für die Durchsetzung des Gesetzes ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zuständig. Nichts oder zu wenig tun kann mit Ordnungswidrigkeiten bis zu 800 000 € geahndet werden. Wenn eine Verletzung der Sorgfaltspflicht zu einem konkreten Schaden geführt hat, beispielsweise wenn Gesundheitsschäden durch die Verwendung verbotener Chemikalien verursacht wurden oder Arbeiter*innen durch baufällige, einstürzende Textilfabriken ums Leben gekommen sind, dann können diese oder Angehörige nicht das Sorgfaltspflichtengesetz nutzen, um Entschädigung zu erhalten. Deshalb können Betroffene im Schadensfall ihre Rechte weiterhin nur erschwert einklagen. Auch für Unternehmen wäre es rechtssicherer, wenn ein Gesetz die Voraussetzungen und Grenzen der Haftung vollumfänglich regelt.

Darüber hinaus gilt das Gesetz (das ab 2023 Anwendung finden soll) zunächst nur für Unternehmen mit 3.000 Mitarbeitenden, ab 2024 fallen dann Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden darunter. Der gesamte Mittelstand Deutschlands wird nicht erfasst. Wir wollen, dass das Gesetz bereits ab 250 Mitarbeitenden gilt. Beim Umweltschutz bleibt das Gesetz hinter unseren Erwartungen zurück.

Das sagen die Grünen im Bundestag dazu: Ausbeutung darf sich nicht lohnen!
  1. Ein effektives Lieferkettengesetz ist eine win-win-Situation für alle Beteiligten: es stärkt Verbraucher*innen, Unternehmen und ermöglicht Entwicklungsperspektiven in den Produktions- und Abbauländern.
  2. Eindeutige gesetzliche Regeln geben Unternehmen mehr Rechtssicherheit, zeigen Lösungen auf wie Sorgfaltspflichten praktikabel umgesetzt werden können und welche Erwartungen an Unternehmen gestellt werden. Sie schaffen faire Wettbewerbsbedingungen und machen Lieferketten widerstandsfähiger. Ein gutes Lieferkettengesetz kostet die Unternehmen laut EU-Kommission nur 0,005 Prozent des Jahresumsatzes.

  3. Zukünftig muss das Lieferkettengesetz die gesamte Lieferkette abdecken, damit auch Menschenrechtsverletzungen in den Produktions- und Abbauländern im Globalen Süden erfasst werden. Das Gesetz muss hier dringend erweitert werden.

  4. Ein Lieferkettengesetz muss eine zivilrechtliche Haftung beinhalten, damit Opfer von Menschenrechtsverletzungen Entschädigung einklagen können. Ein Unternehmen soll haften, wenn es vorhersehbar und vermeidbar seine eigene Sorgfaltspflicht verletzt hat und damit kausal Leben, Körper, Gesundheit oder die Freiheit einer Person verletzt oder eine Sache beschädigt wurde.

  5. Auf EU-Ebene wird derzeit über eine weitaus ambitioniertere Regelung beraten. Der deutsche Vorschlag darf diese Pläne nicht untergraben. Deutschland muss in Bezug auf den Menschenrechtschutz in internationalen Lieferketten auf EU-Ebene und international mutig voranschreiten und sich für eine starke und einheitliche Regelung für den europäischen Binnenmarkt einsetzen. Deutschen Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit setzen, könnten wir mit einem ambitionierteren Lieferkettengesetz einen Startvorsprung gegenüber europäischer Konkurrenz verschaffen.

Hintergrund

Überall auf der Welt kommt es in den globalen Lieferketten zu Menschenrechtsverletzungen. Vor allem auf Plantagen, in Minen und in Textilfabriken werden Mensch und Umwelt viel zu häufig ausgebeutet. Inzwischen gibt es ein stärkeres öffentliches Bewusstsein für die teilweise miserablen Arbeits- und Produktionsbedingungen. 70 % der Menschen in Deutschland wünschen sich eine gesetzliche Regelung, damit ihr Einkaufsverhalten nicht zu Ausbeutung beiträgt. Auch immer mehr Unternehmen fordern klare Verhältnisse. Leider erfüllt nur eine Vorreitergruppe von 13 bis 17 % der deutschen Unternehmen bisher die freiwilligen Anforderungen der Bundesregierung zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten (Monitoringbericht des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (2016-2020)).

Bereits 2011 einigte sich der UN-Menschenrechtsrat auf die „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“. Diese forderten erstmals von den Mitgliedsstaaten eine Mischung aus freiwilligen und gesetzlichen Maßnahmen zur Umsetzung internationaler Menschenrechtsabkommen, der ILO-Arbeitsnormen, sowie Umweltabkommen in Bezug auf wirtschaftliche Tätigkeiten. Darüber hinaus findet auf UN-Ebene der „Binding Treaty“ Prozess statt, der ein globales rechtsverbindliches Abkommen etablieren soll.

Wie Unternehmen zu Menschenrechtsschutz verpflichtet werden können, ist eine drängende Frage. International geht der Trend zu verbindlichen Regelungen. Eine nationale Gesetzgebung greift den internationalen Debattenstand auf und sollte die internationalen Zusagen der Bundesregierung umsetzen. Ein gutes Lieferkettengesetz könnte deutschen Unternehmen auch einen Vorsprung gegenüber der europäischen und internationalen Konkurrenz verschaffen, da es auf kurz oder lang ohnehin zu verbindlichen Regeln kommen wird. Neben Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden hat die Europäische Union, beispielsweise für die Bereiche Holz und Konfliktmineralien, gesetzliche Maßnahmen erlassen.

Mittlere Unternehmen bringen durch ihre häufig kürzeren Lieferketten gute Voraussetzungen mit, ihre Geschäftsbeziehungen nachhaltig auszubauen und profitieren von zuverlässigeren Lieferbeziehungen. Bereits jetzt gibt es Unterstützungsangebote der Bundesregierung für KMUs zur Umsetzung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten, die mit dem Sorgfaltspflichtengesetz weiter ausgebaut werden müssen. Einheitliche und anspruchsvolle Standards für Menschenrechte und Umwelt können beispielweise in sogenannten Brancheninitiativen verbindlich erarbeitet und umgesetzt werden. Diesen können sich KMUs dann anschließen, um Synergieeffekte zu nutzen und Markeneffekte zu schaffen.

Links zum Weiterlesen

→ Link zu den Grünen im Bundestag
→ Das Sorgfaltspflichtengesetz der GroKo
→ Vier grüne Änderungsanträge:

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