Expertenanhörung im Bayerischen Landtag zum Thema Windkraft und Abstand zur Wohnbebauung

Am 3.7.14 fand im bayerischen Landtag die Expertenanhörung zur sog. 10 H Regelung statt. Der von der Staatsregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Einführung größerer Mindestabstände von Windrädern zu Wohnbebauung fiel bei den Experten glatt durch.

Am 3.7.14 fand im bayerischen Landtag die Expertenanhörung zur sog. 10 H Regelung statt. Der von der Staatsregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Einführung größerer Mindestabstände von Windrädern zu Wohnbebauung fiel bei den Experten glatt durch.

Neben umfassenden juristischen Bedenken wurden Eingriffe in die kommunale Planungshoheit, die wegbrechende Wertschöpfung vor Ort, die Minderung der dezentrale Energieerzeugung in sehr deutlicher Sprache vorgebracht.

Als stellvertretender Ausschussvorsitzender konnte ich deshalb nach der Anhörung das klare Fazit ziehen: "11:1 für die bestehende Regelung und eine klare Absage für 10 H - das ist eine schallende Ohrfeige für Seehofer".

Besonders kritisiert wurde das Vetorecht der Nachbarkommunen ("massiver Eingriff in kommunale Planungshoheit), die Auflösung der Wirksamkeit der ausgewiesenen Regionpläne und die "Kommunalisierung des öffentlichen Ärgers". 

Die Teilnehmer und ihre Beiträge in einer kurzen Zusammenfassung und in der Reihenfolge ihrer Beiträge (die schriftlichen Stellungnahme finden sie in Kürze hier angefügt):

1.    Thomas Karmasin, Bayerischer Landkreistag, Vizepräsident

2.    Florian Gleich, Bayerischer Städtetag, Referent für Planen und Bauen

3.    Dr. Franz Dirnberger, Bayer. Gemeindetag, Direktor

4.    Prof. Dr. Martin Kment, Universität Augsburg, Juristische Fakultät,
       Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Umweltrecht
       und Planungsrecht

5.    Peter Driessen, IHK für München und Oberbayern, Hauptgeschäftsführer

6.    Dr. Maren Hille, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew),

7.    Günter Beermann, Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE),
       Landesverband Bayern, Vorstandsvorsitzender

8.    Gunnar Braun, Verband Kommunaler Unternehmen e.V. (VKU),
       Landesgruppe Bayern, Geschäftsführer

9.    Prof. Dr. Michael Sterner, Fachbereich Energiespeicher an der Ostbayerischen
       Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg)

10.  Dr. Herbert Barthel, Bund Naturschutz, Referent für Energie und Klimaschutz

11.  Dipl.Ing. Gunter Häckner, Gesellschaft zur Umsetzung Erneuerbarer
       Technologieprojekte im Landkreis Haßberge mbH (GUT Haßberge mbH) ,
       Projektleitung

12.  Dipl.-Phys. Markus Pflitsch, Bundesinitiative Vernunftkraft mit
       Landesverband Gegenwind  

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 Thomas Karmasin, Bayerischer Landkreistag, Vizepräsident

Der Gesetzesentwurf ist juristisch sehr angreifbar. Die Abgrenzung des Außenbereichs ist mangelhaft. Bereits aufgestellte Pläne sollen auf jeden Fall ihre Wirksamkeit behalten. Der Stichtag ist zu verlängern. Die Kommunen, die Bürgermeister vor Ort werden es in Zukunft sehr schwer haben Windkraftprojekte umzusetzen. "Es ist schwer für den örtlichen Pfarrer, wenn der Bischoff eine andere Meinung predigt".

Florian Gleich, Bayerischer Städtetag, Referent für Planen und Bauen

Der Entwurf bietet lediglich eine Scheinlösung. Aus Sicht des Städtetags ist es eine "Kommunalisierung öffentlichen Ärgers". Der Bürger wird es nicht verstehen, wenn einzelne Bürgermeister von der 10 H Regelung abweichen - somit wird der schwarze Peter an die Kommunen weitergegeben. In Zukunft sind nur noch positive Flächenausweisungen möglich - dies ist planungsrechtlich negativ. Windvorrangflächen werden in sensible Bereiche gedrängt. Ein Bestandsschutz für bestehende Regionalpläne, Flächennutzungspläne ist dringend notwendig. 

Dr. Franz Dirnberger, Bayer. Gemeindetag, Direktor

Die Kommunen haben sich 2011 auf den Weg gemacht. Sie haben einen erheblichen Aufwand betrieben und viel Geld in die Hand genommen. Bürgermeister, die sich mit Überzeugung für die Energiewende in die Presche geworfen haben, stehen jetzt belämmert da. Eine Vertrauensschutzregelung ist deshalb nötig. Dies sieht der Entwurf nicht ausreichend vor. Die Planungsverbände haben eine ganzheitliche Planung erstellt. Sie haben Positiv- und Negativflächen ausgewiesen. Die Bundesregierung hat wiederholt die Priviligierung der Windkraftanlagen unterstrichen. Dies hat die bayerische Staatsregierung im Entwurf nicht berücksichtigt. Substantieller Raum wird für die Windkraftnach Inkrafttreten der 10 H Regelung nicht mehr ausreichend - im Sinne des Gesetzgebers - zur Verfügung stehen. Bestätigt sich dies, ist das Gesetz juristisch nicht haltbar. Mit der Einführung einer zwingenden Zustimmung der Nachbargemeinde bekommt die Nachbarkommune Planungshoheit über die planende Gemeinde. Das ist ein massiver Einschnitt in die kommunale Planungshoheit, den es in dieser Form im Planungsrecht noch nicht gab.

Prof. Dr. Martin Kment, Universität Augsburg

Der Gesetzesentwurf stellt eindeutig eine Entpriviligierung dar. Das ist der eigentliche Kern des Entwurfs. Wenn die Gemeide keine Planung vornimmt ist, im Gegensatz zur bisherigen Regelung, eine Errichtung von Windkraftanlagen nicht priviligiert. Haben Gemeinden Vorranggebiete ausgewiesen konnten sie auch mit der alten Regelung genau steuern, wo Anlagen errichtet werden sollen. Bei Umsetzung der 10 H Regelung ist die Einhaltung des Grundsatzes des Grundsatzes, dass Windkraftanlagen priviligiert sind, kaum einzuhalten. Die Regelung ist deshalb juristisch sehr fraglich.

Der Nachbarkommune wird mit dem Vetorecht eine ganz neue Stellung eingeräumt. Die Planungshoheit der Kommune wird massiv beschnitten. Die Ankündigung einer Gesetzesänderung zerstört noch kein Vertrauen. Die Stichtagsregelung ist deshalb juristisch kaum haltbar.

Regionalpläne und Flächennutzungspläne wirken wie Bebauungspläne. Investoren können auf ihre Wirksamkeit vertrauen. Wird ihre Wirksamkeit  nun mit der neuen Regelung gestrichen, so wird Vertrauen zerstört. In diesem Fall ist eine Entschädigung fällig.

Peter Driessen, IHK für München und Oberbayern, Hauptgeschäftsführer

Die Regelung wird klar abgelehnt. Planungssicherheit ist in der Wirtschaft maßgeblich. Dies ist durch solche Vorstöße nicht mehr gegeben.  Es ist ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Bayern zu befürchten.

Dr. Maren Hille, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (bdew)

Die im Entwurf beschriebene Absicht die Akzeptanz zu fördern wird nicht erreicht werden. Die Verunsicherung ist auf der anderen Seite aber groß. Die bestehenden Regelungen haben sich bewährt und sind ausreichend. Ein jährlicher Anlagenzubau von 120 - 150 Stück ist nötig um die Ziele der Staatsregierung zu erreichen. Bisher sind es jedoch nur 80 Anlagen pro Jahr. Die Ziele werden also mit Einführung 10 H sicher verfehlt. Der Entwurf wird keinerlei positiven Auswirkungen haben.

Günter Beermann, Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE),
Landesverband Bayern, Vorstandsvorsitzender

Die regionale Wertschöpfung, die Existenz der bayerischen Unternehmen, die sich auf Windkraft spezialisiert haben, wird unnötig gefährdet. Die potentielle Fläche in Bayern umfasst nur noch 0,05 % der Landesfläche. Hierbei ist noch nicht einmal die Windhöffigkeit dieser Standorte untersucht. Die Windkraft als billigste erneuerbare Energie mit dem geringsten Flächenverbrauch wird massiv beschnitten.

Gunnar Braun, Verband Kommunaler Unternehmen e.V. (VKU), Landesgruppe Bayern, Geschäftsführer

Die Beschränkung der Windkraft an Land wird zu mehr Offshore Windkraft führen.Diese sind teuer und der Strom aufwendig zu transportieren. Die Kommunen und Planungsverbände haben bis zu sechsstellige Summen für ihre Planungen investiert. Dies würde nun alles hinfällig werden. Investoren werden sich aus Bayern zurückziehen und in anderen Bundesländern oder im Ausland investieren. Die Staatsregierung hat bisher ihre Windkraftausbauziele nicht korrigiert. Die Einhaltung dieser Ziele zu proklamieren und gleichzeitig die 10 H Regelung einzuführen ist befremdlich. Die Staatsregierung hat anscheinend die Tragweite ihrer geplanten Regelung noch nicht verstanden. Für die ländlichen Kommunen ist die regionale Wertschöpfung und die Gewerbesteuer ein wichtiger Pfeiler geworden. 

Prof. Michael Sterner, Fachbereich Energiespeicher an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg)

Strom wird in Zukunft Primärenergie werden. Unser Bedarf wird weiter steigen. Die Energieversorgung wird wieder oberirdisch. Mit einem Prozent der bayerischen Landesfläche könnten wir 50 % des Strombedarfs decken. Bei der 10 H Regelung bleibt der bayerische Windatlas jedoch weiss, es erscheinen keine Flächen. Bei anderen Nutzungen (PV, Bioenergie) ist es um ein Vielfaches mehr. Windkraft hat in Bayern ein hohes Potential. Bei der Windkraft ist eine Steigerung um 90 % möglich, bei PV 70 %, bei Wasserkraft 9 %. Auch im Bioenergiebereich (Holz) können wir uns noch um 60% steigern - der Zuwuchs wird ungenügend genutzt - v.a. in den Privatwäldern.

Um den gesamten bayerischen Strombedarf zu decken, bräuchten wir bei Biogas eine Nutzung von 30 % der Landesfläche, bei Windkraft nur 2 %. Alles was nicht regional erzeugt wird, muss importiert werden. Der Bedarf an Stromleitungsneubau wird erhöht. Die Leitungen nach Österreich glühen bereits.

Sollte Bayern mit der Eigenstromerzeugung weit zurückbleiben, stellt sich wohl bald die Frage nach Strompreiszonen. Günstige Tarife in Norddeutschland, Hochpreiszonen im Süden. Sofern sich zukünftig unterschiedliche Preiszonen in Deutschland bilden und Bayern für den importierten Strom aus Norddeutschland mehr zahlen muss, also dort ansässige Unternehmen, droht ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit bayerischer Unternehmen.

"Power to gas" ist eine zukunftsträchtige Speichertechnologie. 15 industrielle Anlagen sind in Betrieb. 14 weitere sind im Bau. Die Umwandlung hat einen Wirkungsgrad von 30 % - knapp ein Drittel des eingesetzten Stroms kann jederzeit wieder entnommen werden. Hemmnisse wurden beseitigt. Die EU hat synthetisches "Windgas" als Biokraftstoff akzeptiert.

Dr. Herbert Barthel, Bund Naturschutz, Referent für Energie und Klimaschutz

Das derzeitige Regelwerk ist eine gute Basis für den Ausbau von Windkraftanlagen. Dies wird durch die geplante Regelung ausgehöhlt und zu Nichte gemacht. Eine reine Abstandsregelung ist keine gute Planung. Die Windräder wären teilweise überhaupt nicht sichtbar, da sie hinter einer Kuppe verborgen wären. Trotzdem wäre ihre Errichtung nicht möglich. Eine reine Sichtbarkeit ist keine Schadenswirkung. Ansonsten müssten alle Bauwerke  - Gewerbehallen, Straßen... - auf dieses Kriterium überprüft werden. Die Regelung führt zu einem Abdrängen der Windkraft in große Wälder. Dies kann nicht unser Ziel sein. Für die Ausarbeitung einer besseren Regelung ist mehr Zeit erforderlich. Diese Zeit soll sich der Gesetzgeber nehmen.

Dipl.-Phys. Markus Pflitsch, Bundesinitiative Vernunftkraft mit Landesverband Gegenwind

Der Entwurf entspricht weitgehend ihren Forderungen. Er ist aber nachzubessern im Bereich Wohnbebauung. Hier muss er für jedwede Wohnbebauung gelten - auch für alle Splittersiedlungen. Ländliche Regionen verkommen und veröden, wenn weiterhin die Windkraft ausgebaut würde. Der Strom aus Windkraft kann nicht zur Stromversorgung beitragen, er ist "Zappelstrom". Für eine sichere Energieversorgung ist auf Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken und der Kernfusion zu setzen. Die Windkraft ist vollkommen unwirtschaftlich.

Dipl.Ing. Gunter Häckner, Gesellschaft zur Umsetzung Erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge mbH (GUT Haßberge mbH) , Projektleitung

Die Planungsregion Main - Rhön hat über vier Jahre an der Regionalplanung gearbeitet. Am 29.4.2014 wurde über einen einstimmigen Beschluss im Planungsverband der Regionalplan genehmigt. Das Gebiet umfasst eine Fläche von 4000 Quadratkilometer. Bei Einführung 10 H würde keine Fläche mehr übrig bleiben. Der Gesetzentwurf ignoriert die Praxis vollkommen. Für kleine Kommunen ist die Aufstellung eines Bebauungsplanes eine zusätzliche Hürde. Die Windkraft könnte in ihrer Planungsregion bei Umsetzung der Projekte in den geplanten Vorranggebieten 50 % des Strombedarfs decken. Auch große Firmen wie das Welzlager in Schweinfurt würden aus der Region versorgt. Das ist alles nicht mehr möglich. Der Bürgerpark in Haßfurt (WK 88) ist mit 10 Windrädern geplant. Die Bevölkerung vor Ort steht hinter dem interkommunalen Projekt. Auch solche Projekte wären in Zukunft nur noch sehr schwer möglich.


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