Atomkraft – klares NEIN zur Laufzeitverlängerung

Nicht nur beim Gas ist Deutschland und Europa abhängig von Russland, sondern auch bei der Kernenergie. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von K.-o.-Kri­te­ri­en für die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken.

Nach wie vor: Atomkraft - nein danke ©Foto: Pixavay.com

Die Strommenge, die Deutschland pro Jahr benötigt, liegt bei ca. 580 TWh. Die drei noch in Deutschland laufenden Atomkraftwerke erzeugen etwa 30 TWh jährlich.

Die Stromexporte lagen im Saldo in den letzten Monaten deutlich darüber. D.h. wir haben wesentlich mehr Strom exportiert, als durch Atomkraftwerke produziert wurde. 

Beispiel für den Zeitraum 1.1.22 - 6.3.22: 

  • Stromproduktion aus Atomkraft: 6,11 TWh
  • Stromexportsaldo: 10,41 TWh.

Die Idee, mit Atomkraftwerken die Stromversorgung in Deutschland im Falle eines Stopps russischer Gaslieferungen aufrecht zu erhalten, trägt nicht zur Lösung bei. Denn das importierte Erdgas wird nur zu etwa 14 % für die Stromerzeugung eingesetzt. Der Großteil des Erdgases fließt in den Wärmebereich bzw. Gebäudebereich, sowohl für die individuelle Gebäudebeheizung, für Fernwärme aber auch für industrielle Prozesswärme.

Das Erdgas, das in der Stromversorgung eingesetzt wird, deckte im vergangenen Jahr 2021 lediglich 15 % des deutschen Strombedarfs. Zwei Drittel der Stromerzeugung aus Erdgas erfolgt in Kraft-Wärme-Kopplung, d.h. es wird gleichzeitig Strom und Wärme genutzt. Ein Ersatz dieser Stromproduktion in diesen Gaskraftwerken ist nicht durch Atomkraftwerke an einem anderen Ort möglich. Somit sind nur etwa 5 % der deutschen Stromerzeugung zu ersetzen. 

Erdgaskraftwerke haben den Vorteil, dass sie sehr schnell regelfähig sind – anders etwa als Braunkohle- oder Atomkraftwerke. Ein Ersatz von Erdgaskraftwerken durch Atomkraftwerke ist unsinnig, da ein AKW nicht zweimal täglich stillgelegt und wieder in Betrieb genommen werden kann. Es kann die Regelungsfunktion von Gaskraftwerken nicht übernehmen.

Es gibt zahlreiche Gründe, die gegen den Weiterbetrieb sprechen:

  • Betriebspersonal fehlt
  • Revisionspersonal fehlt
  • Brennelemente
  • Uranversorgung
  • Sicherheitsfragen
Betriebspersonal: 

Zum Betrieb von Atomkraftwerken ist gut ausgebildetes Fachpersonal nötig. Bei vielen bereits abgeschalteten und in diesem Jahr zur Abschaltung anstehenden Atomkraftwerken, findet und fand schon seit Jahren ein Personalabbau statt. Nicht durch Kündigungen, sondern über Abfindungen, Altersteilzeitregelungen und Nichtnachbesetzung von freiwerdenden Stellen. Es gibt daher ein Problem des Fachkräftemangels. Dem Stimmen auch die Betreiberfirmen zu.

Revisionspersonal: 

Ähnlich ist es bei den Firmen, die für die Sicherstellung des Betriebs durch regelmäßig stattfindende Revisionenzuständig sind, den sogenannten Revisionsmannschaften: AKW’s wurden jährlich in der Regel einer drei- bis vierwöchigen Revision unterzogen. Daran waren meist ca. 1.000 externe Beschäftigte beteiligt - teils hoch spezialisierte Expert*innen. Diese Truppe war das ganze Jahr über in Deutschland an den verschiedenen AKW‘s unterwegs. Auch hier wurden Arbeitsplätze abgebaut, gab es einen Know-how-Verlust. Im letzten Jahr fanden noch drei Revisionen statt und die Branche hat sich darauf eingerichtet, dass es die definitiv letzten waren und entsprechende Maßnahmen ergriffen.

Brennelemente: 

Der Bedarf an Brennelementen ist im Atombereich sehr gut kalkulierbar, da die benötigte Menge bereits Jahre im Voraus feststeht. Fast alle Atomkraftwerke der Welt sind Unikate, d.h. praktisch jedes ist anders konstruiert. So sind auch die Brennelemente von AKW zu AKW sehr unterschiedlich. 

In der Regel werden in jedem AKW jährlich ein Viertel bis ein Drittel der Brennelemente ausgetauscht. Durchschnittlich blieben in den letzten Jahren die Brennelemente etwa drei bis vier Jahre in den Reaktoren. Angesichts des Stilllegungstermins wurden die Einsatzpläne der Brennelemente schon darauf ausgelegt, möglichst wenig neue Brennelemente einzusetzen und die vorhandenen maximal „abzubrennen“. Dies führt auch oft dazu, dass die Leistung des AKW in den letzten Betriebswochen deutlich abnimmt. 

Für einen Weiterbetrieb müssten also nicht nur die üblichen Mengen an jährlichen neuen Brennelementen hergestellt werden, sondern erheblich mehr.

Gleichzeitig hat die Herstellung von Brennelementen in der Regel einen Vorlauf von eineinhalb bis zwei Jahren. Sowohl die Brennelementgestelle, aber auch die Brennelementhüllen sind aus besonderem Materialien, die erheblichen Temperaturen, Drücken und radioaktiver Bestrahlung Stand halten müssen. Und auch der Brennstoff liegt nicht einfach auf Halde, sondern muss in mehreren Schritten produziert werden. Eine kurzfristige Beschaffung von frischen Brennelementen in diesem Umfang ist unrelistisch.

Uranversorgung: 

Bei der allgemeinen Diskussion über eine Wiederbelebung der Atomkraft, spielt die Welturanversorgung eine große Rolle. Etwa zwei Drittel der Welturanproduktion kommt aus den autoritär regierten Staaten Russland, Kasachstan, Usbekistan und China. Laufzeitverlängerungen würden der Versorgungssicherheit daher einen Bärendienst erweisen und die geopolitischen Abhängigkeiten sogar verstärken.

Energiepolitisch interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens die US-amerikanische Position, die auf keinen Fall Russland-Sanktionen im Uranbereich haben will.

Sicherheitsfragen: 

Es ist üblich, dass technische Anlagen - deren Einsatz in absehbarer Zeit beendet werden - nicht mehr auf dem neuesten Stand gehalten werden. Im Gegenteil, sämtliche Investitions-, Nachrüst- und Wartungsarbeiten werden unter Berücksichtigung ökonomischer Interessen getroffen. Dies ist auch bei Atomkraftwerken so. Juristisch ist es auch so, dass von Seiten der Atomaufsicht bestimmte Nachrüstungen nicht mehr durchgesetzt werden konnten, da sie als unverhältnismäßig betrachtet werden würden.

Eine Laufzeitverlängerung würde daher eine grundsätzliche neue Bewertung des Sicherheitszustands der Anlage nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich machen. Es ist davon auszugehen, dass damit ein gewisser Nachrüstbedarf entstehen würde, der sowohl Zeit als auch Geld kostet.

Was noch gravierend dazu kommt:  die Frage eines Endlagers für Atommüll bleibt weiterhin ungelöst.

Fazit:

Um das russische Gas zu ersetzen, müssen wir schnell Windräder und PV-Anlagen bauen, grünen Wasserstoff produzieren und massiv Wärme im Gebäudebereich und in der Industrie einsparen.

Wir brauchen Wärmepumpen und Fernwärme auf Basis erneuerbarer Energie fürs Heizen, die Sanierung von Gebäuden, Elektroautos statt Verbrenner, einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr und den Ausbau der Bahn.

Die Atomkraft kann Gasimporte nicht ersetzten - sie jetzt als Lösung für die Unabhängikeit von russischem Gas ins Spiel zu bringen, ist eine Scheinlösung wider besseres Wissen.

Weitere Infos: 
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